tinyBe: Nachts in der Skulptur
„In einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem Einwohnerzahlen und Immobilienpreise steigen, wächst ein innerliches Verlangen nach Minimalismus und Verzicht“, beobachtet die Kuratorin und Initiatorin Cornelia Saalfrank. Getrieben von den Transformationsprozessen der Gegenwart – Klimawandel, Digitalisierung, sozialer Wandel –, stellt TinyBE alte Fragen neu: Welche Orte brauchen wir zum Leben und Arbeiten? Wie wollen und können wir als Gesellschaft zusammenleben? Was brauchen wir für ein erfülltes und nachhaltiges Leben?
Oft sind Künstler:innen die Seismographen neuer Entwicklungen. Daher stellt TinyBe ab dem 26. Juni 2021 visionäre, utopische oder auch dystopische Ideen zu neuen Formen des Wohnens und Arbeitens vor. Bei aller künstlerischen Freiheit galt die Vorgabe, dass die Skulptur 30 Quadratmeter Fläche zu bieten hat sowie tragbar, nachhaltig und mit minimalem Budget realisierbar sein muss.
Sieben bewohnbare Skulpturen werden im Metzlerpark am Museumsufer in Frankfurt aufgestellt, in Wiesbaden und in Darmstadt jeweils eine weitere Installation. So hat das interdisziplinäre Kollektiv MY-CO-X, in Frankfurt einen pflanzlichen Ort aus biotechnologisch verarbeiteten Pilzen entwickelt. Inspiriert wurden die Architekt:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen dabei von der Form einer Raumfahrtkapsel. Seit geraumer Zeit erforscht die Wissenschaft, inwiefern sich der Pilz als Dämm- und Baumaterial einsetzen lässt.
Eine Diskussion im Rahmen der die Ausstellung begleitenden Gesprächsserie tinyMONDAY „Mutationen in der Stadtentwicklung: Der Pilz als gesellschaftlicher Akteur und Ideengeber” am 19. Juli 2021 geht unter anderem der Frage nach, welche Bedeutung Pilze als Rohstoff für eine fruchtbare Zukunft haben und inwiefern künstlerische Konzepte die Umwelt-Debatte beeinflussen können.
Der chinesisch-kanadische Künstler Terence Koh erschafft mit seinem bewohnbaren Biotop „spiral home“ einen hochgelegenen Rückzugsort mit spektakulärem Rundumblick über die Frankfurter Skyline. Abgerückt und doch mittendrin können die Übernachtenden Distanz zur City nehmen und ssind gleichzeitig mittendrin. Die Sitzbank einer Ofenskulptur von Sterling Ruby schließlich lädt die Frankfurter Besucher:innen zum Austausch und Innehalten ein.
In Wiesbaden nehmen Worte sprichwörtlich Gestalt an. Für tinyBE präsentiert Alison Knowles ihr 1967 ausgeführtes Gedichtprojekt „The House of Dust“ in einem völlig neuen Kontext: Ihre bahnbrechende Arbeit, die noch mit einem damals hochmodernen Siemens-Großrechner 4004 umgesetzt worden war, ist eines der ersten computergenerierten Gedichte. Jetzt, mehr als ein halbes Jahrhundert danach, übersetzt die amerikanische Künstlerin „The House of Dust“ mittels 3-D-Verfahren in eine architektonische Form und thematisiert erneut das aktuelle Verhältnis zwischen Mensch und Maschine.
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Text: Inge Pett