Öffentlicher Raum für alle
UN-Habitat, das Siedlungs-Programm der Vereinten Nationen, hat zwölf Prinzipien für Kommunalverwaltungen formuliert, um öffentlichen Raum kurz-, mittel- und langfristig zu nutzen – zugunsten aller Städter:innen
COVID 19 beeinträchtigt die Lebensqualität der Menschen weltweit massiv. Viele haben ihren Lebensunterhalt verloren und wurden an den Rand der Gesellschaft gedrängt: Die Wirtschaft, die körperliche und psychische Gesundheit sowie der soziale Friede sind dadurch massiv bedroht. Die Pandemie macht deutlich, wie ungleich der öffentliche Raum verteilt ist und wie wichtig dieser gerade auch für Menschen aus sozial schwachen Stadtteilen ist.
UN-Habitat, das Siedlungs-Programm der Vereinten Nationen, hat zwölf Prinzipien für Kommunalverwaltungen formuliert, um öffentlichen Raum kurz-, mittel- und langfristig zu nutzen – zugunsten aller Städter.
1. Öffentlicher Raum: Wichtiges Gut in Krisenzeiten
Im öffentlichen Raum entstehen derzeit temporäre Einrichtungen. Da ihre Dauer nicht absehbar ist, sollten diese flexibel, multifunktional und anpassungsfähig gestaltet sein. Öffentlicher Raum ist in der Krise ein entscheidender Aktivposten: Er bietet die Möglichkeiten für alternative Mobilität sowie Erholung und Sport. Darüber hinaus stellt er für viele arme Menschen eine Existenzgrundlage dar.
2. Gut vernetztes und integriertes System öffentlicher Räume, einschließlich Straßen
Da sich ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung im Lockdown befindet oder diesen gerade hinter sich gebracht hat, hat sich der Fahrzeugverkehr auf unseren Straßen immens verringert. Manche Städte sperren daher Straßen für den Autoverkehr: Fußgänger können sich so sicher bewegen und Abstand halten. Mehr begehbare Straßen und ökologische Investitionen führen zu geringeren CO2-Emissionen und einer besseren Luftqualität. Diese Faktoren wirken sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen aus.
3. Mehr öffentlichen Raum schaffen, einschließlich Straßen
Körperliche Distanzierung erfordert die Möglichkeit, im öffentlichen Raum ausreichend Platz zwischen Menschen zu lassen. Die Flächenanteil in Städten, der dem öffentlichen Raum zugewiesen ist, muss daher erweitert werden – insbesondere in Ländern, in denen bereits ein hoher Anteil von Fußgängern auf unzureichenden Fußwegen unterwegs ist, wie etwa in informellen Siedlungen und Slums.
4. Flexibilität von Funktionen
Um in Krisenzeiten belastbar zu sein, muss der öffentliche Raum multifunktional und flexibel sein. Nachbarschaftsräume können beispielsweise in Pop-up-Gesundheitszentren verwandelt werden oder in Lebensmittelausgabestellen. Straßen und Räume können zu bestimmten Tageszeiten oder an bestimmten Tagen unterschiedlich genutzt werden. Erweiterte Bürgersteige ermöglichen zudem Sicherheit beim Gehen, Skaten und Joggen, Pop up-Radwege garantieren eine sicherere Fortbewegung und mehr Mobilität.
5. Bereitstellung wesentlicher Dienste
Wenn Kommunen obdachlosen oder armen Menschen saubere Toiletten, Wasserstellen und Reinigungsprodukte zur Verfügung stellen, sind diese besser vor der Pandemie geschützt.
6. Platz für Straßenverkäufer:innen
Am stärksten von der Pandemie betroffen sind Familien, die auf den öffentlichen Raum angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So entfallen über 60 Prozent der städtischen Beschäftigung in Afrika auf den informellen Sektor. Während eines Lockdowns ist es daher wichtig, Straßenhändler:innen Schutzausrüstung sowie einen sicheren Platz mit genügend Abstand zu anderen Händlern zu bieten.
7. Öffentlicher Raum als Plattform des Teilens und Austauschs
Öffentliche Räume, die in der Pandemie nicht geschlossen sind, bieten der Regierung die Möglichkeit, die Bevölkerung über Präventionsmaßnahmen wie Hygieneregeln aufzuklären.
8. Ausgewogene Verteilung öffentlicher Räume
In armen Gegenden gibt es nur wenige Parks, Gärten und Spielplätze, die in innerhalb von zehn Minuten erreichbar sind. Die Kommunalverwaltungen müssen sicherstellen, dass die Freiflächen gleichmäßig über die Stadt verteilt und sicher zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sind.
9. Autarke Nachbarschaft
Erstrebenswert ist eine autarke Stadt, in der alle Bewohner im Radius von 15 Minuten Fußweg ihre Bedürfnisse erfüllen können – sei es Arbeit, Schule, Einkaufen, Gesundheit, Freizeit oder Kultur. Dies kann nur funktionieren, wenn wesentliche Dienstleistungen, Straßen und öffentlicher Raum gerecht verteilt sind.
10. Sauberhalten des öffentlichen Raums
Da das CoVID 19-Virus sich längere Zeit in der Luft und auf Oberflächen hält, sind öffentliche Räume häufig und gründlich zu reinigen, insbesondere Türen, Griffe und Möbel.
11. Ausbau sozialer Resilienz
Das COVID-19-Virus hat auch positive Auswirkungen darauf, wie Menschen miteinander interagieren. Die sozialen und verbindenden Elemente des öffentlichen Raums können dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften zu stärken. Straßen bieten sich etwa für Outdoor-Filmvorführungen, Theater oder für Fitnesskurse an.
12. Unterstützende Richtlinien für systemische Änderungen
Die Erfahrungen mit der COVID-Pandemie können zu sektorübergreifenden Partnerschaften führen. Erstrebenswert ist daher eine politische Agenda, in der Stadtplanung, Gemeindeentwicklung, Architektur, umweltfreundliches Bauen und öffentliche Gesundheit gemeinsam bessere Strategien erarbeiten, um das Virus einzudämmen.
Text: Inge Pett
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