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Arts & Culture
27. Mai 2021

Henne und Ei: Eine Geschichte der Gestaltung in Ost- und Westdeutschland

Design aus der DDR und der Bundesrepublik: Erstmals behandelt das Vitra Design Museum in Weil am Rhein deutsch-deutsche Designgeschichte. Ab dem 15. Oktober 2021 ist die Ausstellung „Zwei Länder, eine Geschichte: Deutsches Design 1949-1989“ auch im Kunstgewerbemuseum in Dresden zu sehen

Das Bauhaus und der Werkbund prägten Anfang des 20. Jahrhunderts das deutsche Design und die Alltagskultur. Nach der Teilung des Landes 1949 entwickelten sich diese in West und Ost getrennt weiter, wobei beide Staaten die Gestaltung gezielt als identitätsschaffendes Element einsetzten. Nach dem Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 gingen Designer in Ost und West eigene Wege.

Während bei bundesdeutschen Entwürfen wachsende Konsumbedürfnisse im Fokus standen, gestaltete man in der DDR Plattenbauten, Einbaumöbel und Produkte für die werktätige Bevölkerung. Aufgrund der Materialmangels mussten Ost-Produkte besonders ressourcensparend und erschwinglich sein. In den 1970er-Jahren entwickelte sich in Ostberlin eine lebendige subkulturelle Szene, mit der eine neue Alltagsästhetik einherging. Die BRD hingegen blieb unverändert ein Vorreiter für Industriedesign, das zunehmend experimenteller wurde.

Wie verwoben die Design-Geschichte in Ost und West vor der Wiedervereinigung sein konnte, zeigt exemplarisch das „Senftenberger Ei“. Fälschlicherweise oft als DDR-Design angesehen, geht der Entwurf des ersten aufklappbaren Sessels auf den gebürtigen Ungarn Peter Ghyczy zurück. Dieser entwickelte ihn 1968 für den Polyurethan-Hersteller Elastogran/Reuter in Lemförde nahe Osnabrück. Nachdem das dortige „Design-Center“ 1972 geschlossen wurde, verkaufte das Unternehmen die Polyurethan-Technik insgeheim in die DDR. So kam es, dass das Ei auch in der DDR vom VEB Synthesewerk Schwarzheide nahe Senftenberg produziert wurde. Allerdings erwies sich der Sessel als viel zu teuer für die Verbraucher in der DDR. Nachdem das Ei in der Kunstszene in den 1990er-Jahren Jahre zum Kultobjekt avancierte, entschloss sich Peter Ghyczy den Entwurf wieder aufzulegen – in den Niederlanden.

Zu den Kleinoden der Schau zählt auch der Eierbecher „Huhn“ der Marke Sonja Plastic, der sich sowohl in Ost als auch in West großer Beliebtheit erfreute. Der Designer Josef Böhm entwickelte das Huhn 1972 im sächsischen Wolkenstein. Zwar war es für den Export entwickelt, wurde darüber hinaus aber auch in der DDR zum kleinen Preis verkauft – bis zu 50.000 pro Jahr.

Wer das Vitra Design Museum besucht, den erwarten neben Möbel-Ikonen und Leuchten auch Mode, Textilien und Schmuck sowie Grafik und Industriedesign aus DDR und Bundesrepublik.

Text: Inge Pett

Foyer des Palasts der Republik, Berlin, 7. Juli 1977 (Architektur: Heinz Graffunder). Foto: © ddrbildarchiv.de / Manfred Uhlenhu
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