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Urban Landscape
12. Juni 2020

Biking architects: Berlin

Fahrradfahren liegt nicht erst seit Corona im Trend. In Kooperation mit dem internationalen Netzwerk guiding architects stellt NXT A die schönsten Radtouren durch deutsche Metropolen vor – aber nicht irgendwelche Touren: Die Etappen sind immer architektonische Highlights. Entdeckt mit uns nun Wohnsiedlungen im Norden von Berlin.

Die Radtour zu vier UNESCO-Welterbe-Siedlungen im Norden Berlins konzipierten die Architekten von TICKET B – Architektur erleben. Das Berliner Team aus Architekten, Professorinnen, Dozenten und Fachautorinnen vermittelt spannend und authentisch das zeitgenössische Baugeschehen in der Hauptstadt Berlin.

Die Tour startet an der Ringsiedlung Siemensstadt und führt über die Schillerpark-Siedlung und die Weiße Stadt bis zur Carl Legien Stadt. Dort endet sie Café Eckstern, wo erschöpfte Radfahrer bei Kuchen wieder Kraft tanken können.

Zum PDF der Tour  geht es hier entlang. 

Die interaktive Karte gibt es hier.

Ringsiedlung Siemensstadt, Goebelstraße 2, 13627 Berlin. Bild: Anja Steinmann

1. Ringsiedlung Siemensstadt

Hans Scharoun, Walter Gropius, Hugo Häring, Otto Bartning, Fred Forbat, Paul-Rudolf Henning, (1929-33, 1370 Wohnungen)

Die Großsiedlung Siemensstadt zieht als radikales Modell einer modernen Stadtsiedlung mit reinen Zeilenbauten das Interesse der Besucher auf sich. Die Stadtsiedlung ist als exaktes Gegenteil der Hufeisensiedlung von Bruno Taut konzipiert, die teilweise noch den romantischen Idealen und kleinteiligen Raumvorstellungen der Gartenstadtidee verhaftet. Zudem zeigen hier sechs verschiedene Architekten höchst unterschiedliche Gestaltungen des Typus Wohnzeile. Alle sechs gehörten der Architektenvereinigung „der Ring“ an, allen voran der junge Hans Scharoun und natürlich der berühmte Walter. Der von dem Landschaftsarchitekten Leberecht Migge gestaltete Freiraum ist ein eindeutig öffentlicher Raum: An dem längst gerichteten innerem grünen Park reihen sich die Zeilen auf. Die Qualitäten des Freiraums sind nach der letzten Sanierung im Jahre 2014 wieder erfahrbar und haben sich für Bewohner und Besucher als eine problemlose Begegnungszone herausgestellt haben.

Die Infostation Siemensstadt

Seit 2011 gibt es in der Siemensstadt eine Infostation mit zeitweisem Service für Besucher. Sie ist in einem ehemaligen Lebensmittelladen untergebracht. Zur Errichtungszeit dienten diese Läden noch als wichtige Standorte der Nahversorgung mit Lebensmitteln und Konsumgüter für die Bewohner. Aufgrund ihrer geringen Größe und der Konkurrenz durch Supermärkte und Einkaufszentren, haben viele der Läden heute ihre Funktion verloren und lassen sich nicht mehr so leicht vermieten. Einige Friseure und Apotheken jedoch, sogar ein Waschsalon sind erhalten, andere Läden werden als Kinderhort oder Orthopädiefachgeschäft genutzt. In manch andere sind kleine Bäckereien oder Imbisse, manchmal Versicherungen oder kleine Handwerksbetriebe eingezogen.

Nachdem es nun durch den Volkspark Jungfernheide weiter zur Schillerpark-Siedlung geht, bietet es sich noch an am Standbad Plötzensee (Architektur: Krüger, Walter & Johannes (Architekt), 1926) und den Wohnhäusern an der Afrikanischen Straße 15/23, 29/33, 37/41 (Mies van der Rohe, 1929) einen Zwischenstopp einzulegen.

Die Schillerpark Siedlung, Oxforder Str. 3-5, 13349 Berlin. Bild: Thomas M. Krüger

2. Schillerpark-Siedlung

Bruno Taut (1924-30, 303 Wohnungen)
Max Taut, Hans Hofmann (1953-57, 267 Wohnungen)
Landschaftsarchitektur: Bruno Taut, Walter Rossow

Die Genossenschaftssiedlung aus den Jahren 1924-26 orientiert sich in Farbgebung, Material und Form an die Backsteinbauten des niederländischen Expressionismus der Amsterdamer Schule. Städtebaulich bleibt Architekt Bruno Taut bei der traditionellen Blockrandbebauung, bricht allerdings die Ecken auf und erhält so Zeilenbauten, die jeweils Höfe umschließen. Weniger bekannt, aber ebenso qualitätsvoll sind die Ergänzungen der fünfziger Jahre. Max Taut baute ein kriegszerstörtes Gebäude wieder auf und der Architekt Hans Hofmann schuf Paradebauten der Nachkriegsarchitektur.

Großzügig verglaste Blumenfenster, eine feinfühlige Farbgliederung der Fassaden, geschwungene Geländerformen und viele typischen Details der fünfziger Jahre kennzeichnen die nördlichen, fächerförmig angeordnet Zeilen, die die Siedlung kongenial ergänzen.

Auf dem Weg zur Weißen Stadt lohnt sich ein Abstecher zu der AEG-Turbinenfabrik (Huttenstraße 12–19), die von Peter Behrens geplant wurde. Die Akropolis der Industriearchitektur ist offen und man quasi hindurchfahren.

Die Weiße Stadt, Schillerring 15, 13407 Berlin. Bild: Anja Steinmann

3. Die Weiße Stadt

Otto Rudolf Salvisberg, Bruno Ahrends, Wilhelm Büning (1929-31, 1286 Wohnungen)
Landschaftsarchitektur: Ludwig Lesser

Die Weiße Stadt – wegen ihrer durchgehend weißen Farbgebung so genannt – gehört zu bekanntesten Siedlungen der klassischen Moderne. Durch ihre sachliche Gestaltung kommt diese Siedlung dem Klischee der durchgehend weißen Moderne am nächsten.

Otto Rudolf Salvisberg, Bruno Ahrends und Wilhelm Büning errichteten die Siedlung auf dem städtebaulichen Grundriss einer noch kaiserlichen. Sie enthält radial gekurvte Straßen, unterschiedlich proportionierte Innenhöfe und abwechslungsreiche Grünbereiche. Landmarken der Siedlung ist das Brückenhaus von Salvisberg, das die Aroser Allee überspannt, sowie die Torhäuser von Ahrends. Ein Kindergarten im Hof und an den Ecken positionierte flache Ladenbauten sorgten für die dezentrale Versorgung der Bewohner.

Zu starken Lärmbelästigungen führt die unmittelbare Lage in der Einflugschneise des Flughafens Tegels. Doch wenn der Flughafen wie geplant bald schließt, wird sich auch die Wohnqualität erheblich verbessern. Die geplante Schließung wird die Wohnqualität erheblich verbessern.

Die Carl Legien Stadt, Erich-Weinert-Straße, 10409 Berlin. Bild: Thomas M. Krüger

4. Carl-Legien Stadt

Die im Prenzlauer Berg gelegene Anlage entspricht aufgrund ihrer Zentralität am wenigsten dem Begriff einer „Siedlung“. Sie ist die städtischste von allen Vorgestellten, hat die höchste Dichte und weist sechs Höfe auf, die sich zur Straße hin öffnen. Diese u-förmigen Freiräume sind als halböffentliche Bereiche dennoch sehr intim und werden von den Bewohnern im Sinne von Bruno Taut als ihr Außenwohnbereich wahrgenommen. In der Nachkriegszeit legten die Mieter zusätzliche Gärten an, um Lebensmittel anzubauen. Die Mietergärten werden zwar bis heute genutzt, doch die Mietverträge werden nach Ablauf nicht mehr verlängert. Gemeinsam mit den Höfen und der Tatsache, dass öffentliche Zugangswege fehlen, empfinden die Bewohner ihre Höfe als Privatgrundstücke.

Als öffentlicher Anlaufpunkt funktioniert seit mittlerweile sechs Jahren das liebevoll geführte zentrale Café Eckstern im straßenseitigen Zentrum der Siedlung. Sowohl für Bewohner als auch für Besucher hat sich dort ein Treffpunkt für vornehmlich jüngere Leute und Familien mit Kindern etabliert, wo auch ein kleiner Architekturführer über den Standort angeboten wird.

Über die Autoren:

Das Berliner Team von ticket b aus Architekten, Professorinnen, Dozenten und Fachautorinnen vermittelt spannend und authentisch das zeitgenössische Baugeschehen in der Hauptstadt Berlin. Neben Entwurf und Konzept von Architektur und Städtebau werden auch gesellschaftspolitische sowie historische Zusammenhänge beleuchtet. Darüber hinaus bietet das auf Baukulturvermittlung spezialisierte Architekturbüro auch Reisen und Exkursionen an, die als Weiterbildungsveranstaltung für Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner anerkannt werden. Mehr Infos unter: www.ticket-b.de

Thomas Michael Krüger ist Architekt BDA und Gründer von Ticket B – Architektur erleben” sowie des internationalen Netzwerks der Guiding Architects.

Das Architekturbüro hat sich in über zwanzigjähriger Praxis auf Baukulturvermittlung spezialisiert und organisiert Architekturführungen und –reisen. Seit 2011 betreibt das Büro für die Deutsche Wohnen SE gemeinsam mit dem Verein der Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung zwei Infostationen in den Welterbe-Stätten Hufeisensiedlung und Großsiedlung Siemensstadt.

Schon gewusst? Guiding Architects ist ein Benefit-Partner von NXT A. Alle NXT A-Mitglieder erhalten 20 % auf das offene Tour-Angebot „Schnitt durch die Mitte“. Lust bekommen auf mehr architektonische Touren? Dann geht es hier entlang.

Titelbild: Biking Architects zu Berliner Wohnsiedlungen. Karte: https://www.openstreetmap.org
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