Become a Member
← Alle Artikel
Urban Landscape
15. August 2020

Neuer Blick auf die Isar

In München spielt sich das Leben im Sommer zum größten Teil draußen ab, stets und in diesem Jahr ganz besonders auch an der Isar, der kühlen, fließenden Stadtader. Das renommierte japanische Architekturbüro Bow-Wow aus Tokio hat diesen teilweise noch sehr natürlichen Raum nun für ein temporäres Kunstprojekt genutzt: Die Bridge Sprout

In der Nähe eines der zentralsten Orte der Isar, der Schwindinsel, ein Fleck unberührter Natur mitten im Stadtraum und zudem Naturschutzgebiet, ragt seit einigen Tagen eine hölzerner Brückenkopf über die Isar. Das andere Ufer scheint zum Greifen nah – und ist doch unerreichbar, wie auch schon der Name suggeriert: Die Brücke müsste noch wachsen, um das andere Ufer zu erreichen.

Die gedankliche Linie des Brückenkopfs wird auf der Uferseite der Schwindinsel in Form einer Holzplattform weitergeführt. Der Brückenkopf erinnert an traditionelle alpine Holzbrücken, die über Gebirgsflüsse führen. Die Verwendung von dicken Holzbalken soll die Tradition der Flößerei in und um München sowie die Symbiose des Flusses Isar mit dem Material Holz betonen. Durch die im urbanen Raum eher ungewöhnliche Architektur wurde über der Isar ein neuer Imaginationsraum geschaffen und die Besucher sollen zudem einen Sehnsuchtsmoment erleben, indem sie das andere Ufer erreichen möchten – aber eben nicht können, denn es bleibt unerreichbar.

Das Projekt ging aus dem neuen Format für Kunst im öffentlichen Raum in München,  „Carte Blanche“, hervor. Dabei wählt ein Programmbeirat unter mehreren Vorschlägen eine künstlerische Position mit internationalem Rang aus, die die Chance erhält, ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum Münchens in einem vorgegebenen finanziellen Rahmen zu realisieren – frei von Wettbewerbsdruck.

Atelier Bow-Wow, bekannt für ihre kleinen, feinen Entwürfe,  realisierte das Konzept der „Bridge Sprout“ in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat, dem Münchner Architekten Hannes Rössler sowie Holzbau Schmidt in Trostberg. Wie bei vielen ihrer Projekten setzt das Atelier Bow-Wow, die oft an der Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur arbeiten, auf die Kombination von vertrauten Motiven, lokalem ethnologischen Wissen und einer innovativen architektonischen Formensprache, um so Gewohntes für die Bewohner der Stadt neu erlebbar zu machen.

„Bridge Sprout“ verbindet und überbrückt nichts, vielmehr bricht die Konstruktion mit dem gewohnten Bild einer vollständigen Brücke und soll bei dem Besucher eigene Gedanken-„Konstruktionen“ erwecken.

Noch bis Ende 2021 könnt ihr das temporäre Kunstprojekt in München besuchen. Es befindet sich in der Widenmayerstraße am Isarufer auf Höhe der Schwindinsel.

Text: Mandana Bender

Übrigens: Eines der bekanntesten Wahrzeichen der Lausitz ist frisch renoviert. Alles zu dem spektakulären Brückenbauwerk gibt es bei unseren Kolleginnen der Garten+Landschaft hier: Rakotzbrücke.

Atelier Bow-Wow zählt zu den erfolgreichsten jungen Architekturbüros Japans. Es wurde 1992 durch Yoshiharu Tsukamoto und Momoyo Kajima gegründet: Momoyo Kajima ist Professorin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, Yoshiharu Tsukamoto am Tokyo Institute of Technology. Architektur verstehen die beiden als Berührungspunkt zwischen Mensch und Stadt sowie als handelndes Subjekt. Ihr Werk umfasst Wohnhäuser, öffentliche Bauten sowie zahlreiche Installationen, unter anderem für die Architekturbiennale Venedig oder São Paulo. In Linz errichteten sie den „Linz Super Branch“: eine spektakuläre Stegarchitektur über den Dächern des OK (Offenes Kulturhaus Oberösterreich). In München baute Bow-Wow gemeinsam mit Hannes Rössler das Studentenwohnheim „Reserl“ an der Brudermühlstraße (2017). Es nimmt münchnerische und japanische Stilelemente auf.

 

Titelbild: Temporäres Kunstprojekt: Atelier Bow-Wow hat das Projekt „Bridge Sprout“ für die MünchnerInnen und ihren Fluss entwickelt, um eine neue Erfahrung im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Foto: Christoph Koch
Friends Friends Friends Friends Friends Friends Friends