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Urban Landscape
05. Dezember 2020

City of Refugees – Vier utopische Städte auf vier Kontinenten

Im AEDES Architekturforum in Berlin ist bis zum 7. Januar 2021 eine Ausstellung zu sehen, die vier beispielhafte, innovative Konzepte von Städten für Geflüchtete vorstellt, welche sich aus einem dreijährigen Forschungsprojekt der University of Houston ergeben haben

Auf der Erde gibt es mehr als 70 Millionen Menschen, die aus ihrer ursprünglichen Heimat flüchten und sich in anderen Ländern ein neues eigenes Leben aufbauen müssen. Da jedoch nur wenige Länder bereit sind, diese Menschen in großer Zahl oder überhaupt aufzunehmen, sitzen diese in Zeltstädten oder notdürftigen Unterkünften fest. Oft werden daraus dauerhafte Wohnsituationen, was erhebliche Herausforderungen sowohl für die Infrastruktur als auch für die Bewohner mit sich bringt. Beispiele dafür sind einmal das Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesh, welches seit dem Jahr 1991 besteht und das weltweit größte Lager für Geflüchtete ist. Hier leben um die 600.000 Menschen auf gerade einmal 13 Quadratkilometern, wodurch die entstandene Infrastruktur an ihre Grenzen gebracht wird. Auch das Lager Zaatari in Jordanien, in dem seit 2012 etwa 80.000 vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflüchtete Menschen leben, ist ein Lager, welches als „temporäres“ Lager konzipiert wurde, jedoch im Laufe der Zeit zu einer eigenen „Stadt“ geworden ist, mit einer Hauptstraße mit Marktständen und Geschäften, Kindergärten und Schulen, Solarstrom und einem eigenen Trinkwassersystem. Trotz dieser Infrastruktur ist es jedoch eine „temporäre“ Siedlung, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen ist.

Ein Forschungsprojekt der University Houston hat daher nach neuen Lösungen gesucht: In dem dreijährigen Projekt wurden vier fiktive Städte, in denen zwischen 50.000 – 500.000 Menschen leben können, auf vier unterschiedlichen Kontinenten entworfen, die den Bedürfnissen der Bewohner gerecht werden können und gleichzeitig deren Eigenständigkeit fördern. Die Ergebnisse dieses Projekts sind nun seit Ende Oktober im AEDES Architekturforum in Berlin zu sehen.

Am Gerald D. Hines College of Architecture and Design sind unter der Leitung von Peter J. Zweig, FAIA (Fellow of the American Institute of Architects) und Gail Borden (FAIA) in Workshops Konzepte für vier unterschiedliche fiktive Städte entwickelt worden, die auf universellen architektonischen Grundsätzen basieren, gleichzeitig aber lokale Traditionen berücksichtigen, auf welche die Bewohner zurückgreifen können.

Bevor sich die Studierenden Gedanken über die städtebauliche Gestaltung machten, haben sie jedoch zunächst die Verteidigungsausgaben der USA aus den letzten Jahren analysiert: 700 Milliarden USD werden dafür jährlich durchschnittlich verwendet. Peter Zweig hält fest: „Durch die Umwidmung eines ganz kleinen Teils der Verteidigungsausgaben – weniger als ein Viertelprozent des Militärhaushalts- ließe sich eine einzige City of Refugees finanzieren.“ Er schlägt deshalb vor, dass die USA beispielsweise den Bau eines militärisch genutzten U-Boots um ein Jahr verschieben könnten und damit den Bau einer ganzen Stadt ermöglichen könnten – ein interessantes und durchaus diskussionswürdiges Argument.

Die Studenten haben anhand von Karten und Daten, die auch in der Ausstellung zu sehen sind, die globalen Migrationsströme und Routen der Geflüchteten analysiert und dokumentiert. Basierend darauf wurden dann die Prototypen der Städte konzipiert. Die City of Refugees ist ein Ort, der über das Schicksal der aus ihrer Heimat Vertriebenen hinausreicht. Die Bewohner sollen hier frei und unabhängig handeln können. Zudem haben sich die Studenten überlegt, dass die Cities als von den Vereinten Nationen geförderte freie Wirtschaftszone eine Grundlage für eine neue multiethnische Gesellschaft schaffen könnten.

Diese Gesellschaft sollte auf Gerechtigkeit und Toleranz basieren, wirtschaftlich tragfähig und CO2 neutral sein. Die Modellstädte nutzen dazu nachhaltige Technologien, ändern das Konzept der Straße, da keine Autos nötig sind, und beinhalten eine regionale und gleichzeitig universelle Architektur. Es ist ein Idealbild, was den Konzepten innewohnt, ist jedoch ein guter Schritt zu einer möglichen Lösung eines der bedeutendsten völkerrechtlichen Probleme unserer Zeit.

Die Besucher können mithilfe von Modellen, Bildern, Videos oder Augmented Reality einen umfassenden Einblick in diese fiktiven Städte und deren sozio-politische, ökonomische und kulturelle Aspekte erhalten.

Die Ausstellung kann bis zum 7. Januar im AEDES Architekturforum in Berlin (Christinenstr. 18-19) besucht werden. Begleitend findet eine Onlinegesprächsreihe zu verschiedenen Themen, die in der Ausstellung behandelt werden, statt. Mehr Infos dazu hier: LINK (https://www.ancb.de/sixcms/detail.php?id=19735511#.X7_wMC9oT-Y)

Am 9. Dezember spricht  NXT A mit den Kuratoren der Ausstellung Peter Zweig und Gail Borden über die Hintergründe des Projekts und über unterschiedlichen Konzepte der Ausstellung.

Meldet euch jetzt hier für den digitalen Talk an (in englischer Sprache) oder schreibt eine Email an: events.nxt-a@georg-media.de

Text: Mandana Bender

Foto: Switchback City, Straßenansicht. © Zweig + Borden; Ausstellungansicht City of Refugees, physische und Augmented Reality – Modelle © Zweig + Borden
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