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Architecture
02. Januar 2021

Wie könnte ein Europäisches Bauhaus aussehen?

Damit Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden kann, sollen Architekt*innen, Künstler*innen und Ingenieure zusammenarbeiten und Nachhaltigkeit mit Design verbinden. Das „neue Europäische Bauhaus“ soll nach den Vorstellungen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über neue Bauweisen und Designformen anregen“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Herbst 2020 die Idee eines „neues Europäisches Bauhaus“ formuliert, das ein Konzept für vollständig klimaneutrale und lebenswertere Städte erarbeiten soll. „Dafür braucht es aber mehr als nur das Zurückfahren von Emissionen. Ziel sei es auch, Design und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Damit Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent“ werden kann, sollen Architekt*innen, Künstler*innen und Ingenieur*innen zusammenarbeiten und Nachhaltigkeit mit Design verbinden. 

Konkret soll sich die Sanierungssquote in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppeln, mit dem Ziel, die Lebensqualität zu erhöhen und die Treibhausgasemissionen zu verringern. In den kommenden zwei Jahren entstehen zunächst fünf Europäische Bauhaus-Projekte in verschiedenen Ländern der Union, wie die Kommissionspräsidentin in ihrem Beitrag skizziert. Dort werde man praktische Antworten auf die Frage finden, wie modernes Leben im Einklang mit der Natur aussehen könne. „Das Bauhaus hat den sozialen und wirtschaftlichen Übergang zur Industriegesellschaft und ins 20. Jahrhundert buchstäblich mitgestaltet“, so von der Leyen.

„Hundert Jahre später stehen wir vor neuen globalen Herausforderungen: dem Klimawandel, der Digitalisierung und einem Anstieg der Erdbevölkerung auf bis zu zehn Milliarden Menschen bis 2050. Unsere Gebäude verursachen 40 Prozent unserer Emissionen. Sie müssen weniger verschwenderisch, weniger teuer und nachhaltiger werden. Und wir wissen, dass sich der Bausektor sogar von einer Kohlenstoffquelle in eine Kohlenstoffsenke verwandeln kann, wenn organische Baumaterialien wie Holz und intelligente Technologien wie KI eingesetzt werden.“ 

Das „neue Europäische Bauhaus“ soll nach den Vorstellungen von der Leyens „den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über neue Bauweisen und Designformen anregen“. Es suche „praktische Antworten“ auf die Frage, wie modernes Leben im Einklang mit der Natur aussehen könne. In den kommenden zwei Jahren sollten zunächst fünf Projekte in verschiedenen Ländern der EU entstehen, kündigte von der Leyen an. „Alle sind dem Thema Nachhaltigkeit verpflichtet, setzen aber unterschiedliche Schwerpunkte. Diese reichen von naturnahen Baustoffen und Energieeffizienz über Kunst und Kultur, Demografie, zukunftsweisende Mobilität bis zu ressourcenschonender digitaler Innovation.“ 

Die Bundesarchitektenkammer unterstützt die Idee für ein „Europäisches Bauhaus“ mit einer fast einstimmig verabschiedeten Resolution. Sorgfältig geplante und nachhaltig gebaute Gebäude in lebendigen Quartieren mit ansprechenden Freiräumen seien von elementarer Bedeutung für eine offene und selbstbestimmte Gesellschaft, heißt es darin. Und weiter: „Wir Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen und wir Stadtplanerinnen und Stadtplaner bekennen uns im Sinne der Davos-Erklärung von 2018 ‚Towards a high-quality Baukultur for Europe‘ ausdrücklich zu unserer Verantwortung für die Gestaltung der gebauten Umwelt.“ 

Im Zentrum stehe dabei ein ganzheitlicher Planungsansatz, um die Pariser Klimaziele auf hohem baukulturellem Niveau umzusetzen, der das einzelne Gebäude vom Innenraum bis zu regionalem Kontext, Infrastruktur, Mobilität, Naturraum und den Lebensverhältnissen zusammendenkt, so die Versammlung der Bundesarchitektenkammer. Auch müsse die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden, neben Planung und Bau also auch der Betrieb und der Um- beziehungsweise Rückbau. Die Kammer fordert daher, schon die Ausbildung ganzheitlich auszurichten, hohe berufsethische Standards einzuhalten und Architekt*innen entsprechend zu honorieren. 

„Das Europäische Bauhaus hat das Potenzial, praktische Antworten auf die gesellschaftliche Frage zu geben, wie wir als moderne Europäerinnen und Europäer im Einklang mit der Natur leben wollen. Und es kann im Sinne von Ursula von der Leyen helfen, das 21. Jahrhundert schöner und humaner zu machen.“ Das neue Europäische Bauhaus kann zum Beispiel dazu beitragen, dass die Bauwirtschaft in Zukunft mehr auf natürliche Materialien wie Holz oder Bambus setzt und auf Architektur, die sich naturnahe Formen und Konstruktionsprinzipien zu Eigen macht, die von Anfang an auf Wechselwirkungen in Ökosystemen Rücksicht nimmt. Aber: Ein Bauhaus des 21. Jahrhunderts lässt sich nicht von der Politik verordnen. Viele Faktoren, vor allem viele herausragende kreative Köpfe müssen zusammenkommen, um etwas Vergleichbares zu schaffen. Der bahnbrechende Erfolg des klassischen Bauhauses wäre nicht denkbar gewesen ohne den Brückenschlag zu Kunst und Kultur wie auch den sozialen Fragen der damaligen Zeit. Das alte Bauhaus hat bewiesen, dass industrielles und zugleich gutes Design das tägliche Leben von Millionen von Menschen verbessern kann. 

Die Bundesarchitektenkammer zeigt sich jedoch optimistisch: „Geradezu enthusiastisch begrüßen wir als Bundesarchitektenkammer, Vertreterin der 16 Länderarchitektenkammern mit ihren über 135.000 Mitgliedern, die Initiative eines Neuen Europäischen Bauhauses und bieten spontan unsere uneingeschränkte Unterstützung an!“ Man wolle bei der „Umsetzung der notwendigen Renovierungswelle“ fachlich beraten und zu einer europaweiten Umbaukultur beitragen, Positivbeispiele aus der Praxis begleiten, die einen ganzheitlichen Planungsansatz verfolgen; sowie als Netzwerk helfen, die Idee des Europäischen Bauhauses in „wirkungsvolle virtuelle und physische Orte“ umzusetzen.

Text: Ute Strimmer

Das „neue Europäische Bauhaus“ soll nach den Vorstellungen von Eu-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über neue Bauweisen und Designformen anregen“. Foto: Unsplash / Ross Sokolovski
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