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Architecture
14. Februar 2021

Was diese Initiativen vereint, ist der geteilte Idealismus

Das Kompendium „The Ideal City“ trägt Projekte aus 53 Metropolen rund um den Globus zusammen: vom längsten Fahrradhochweg Chinas über ein Low Cost-Wohnprojekt in Mexiko und eine App, die dazu beiträgt, Essensverschwendung zu vermeiden

Die Resonanz war überwältigend: Knapp 700 Teilnehmer von Helsinki bis Singapur hatten sich am vergangenen Mittwoch zugeschaltet, als der Berliner Gestalten Verlag und das Kopenhagener Research and Design Lab SPACE10 die Publikation „The Ideal City. Exploring Urban Futures“ vorstellten.

„Angesichts der rasant wachsenden städtischen Weltbevölkerung müssen wir innerhalb weniger Jahrzehnte die Größe unserer städtischen Umgebung fast verdoppeln“, prognostizierte gestalten-Herausgeberin Elli Stuhler. Das entspreche in den nächsten 30 Jahren dem Bau einer Stadt in der Größe von Paris alle zwei Monate.

SPACE10-Mitbegründer Simon Caspersen fügte hinzu: „Städte bilden das Herz des Problems, und daher sind sie auch das Herz der Lösung.“ Dabei machte er zudem deutlich, nicht an die eine und für alle Gesellschaften, Regionen und Zeiten ideale Stadt zu glauben. An Best Practice-Beispielen aus aller Welt hingegen könne man sich gut orientieren.

Das Kompendium „The Ideal City“ trägt Projekte aus 53 Metropolen rund um den Globus zusammen, die alle eines gemeinsam haben: Sie machen in verschiedenen sozialen, geographischen und wirtschaftlichen Kontexten einen Unterschied zu konventionellen Lösungen für das urbane Zusammenleben. Dabei reicht die Bandbreite von einer Community Kitchen in einem sozial schwachen Viertel Kairos über ein innovatives Gefängnis in Norwegen hin zu einer Stadtfarminitiative in Vietnam. Das Buch präsentiert den längsten Fahrradhochweg Chinas, ein Low Cost-Wohnprojekt in Mexiko und eine App, die dazu beiträgt, Essensverschwendung zu vermeiden: „Was die Projekte vereint, ist der geteilte Idealismus, nicht die Form“, so Caspersen.

Ein Idealismus, von dem auch die Interviews zeugen, etwa mit dem Stadtentwickler Jan Gehl, den Architekten Bjarke Ingels und Michael Green, dem Unternehmer Robin Chase sowie Shipra Narang Suri, der Leiterin des Urban Practices Branch bei den Vereinten Nationen.

Im Vorwort formuliert das Kompendium ein ideales Ziel: dazu beizutragen, dass die Stadt von morgen grüner, gesünder, nachhaltige, inklusiver und sicherer wird: „Städte, die unsere Lebensqualität verbessern, eine erfüllende Art des Zusammenlebens ermöglichen. Städte, die Gemeinschaft, Kreativität und Teilen fördern. Städte, die widerstandsfähiger und wirtschaftlich produktiver sind, während sie der Klimakrise trotzen“.

„Natürlich können wir Utopien nicht mit einem einzigen Flash realisieren“, stellt der dänische Architekt Bjarke Ingels klar. Auf das von Ingels gegründete Büro BIG geht unter anderem das 2019 eröffnete Projekt CopenHill, ein Hybrid aus Gebäude und Landschaft, zurück. Auf dem mit grünen Kunststoffmatten bedeckten Dach der Müllverbrennungsanlage Amager Bakke – die dank ihrer Abgasfiltertechnik zu den modernsten der Welt zählt –tummeln sich im Sommer die Kletterer und im Winter die Skifahrer: im Blick stets das Kopenhagener Stadtzentrum und den Hafen.

Im Hafenbecken können die Bürger seit 2003 übrigens schwimmen. Auch das ist einem Konzept Ingels zu verdanken. Rund um Urban Rigger, ein Konglomerat aus Frachtcontainern, die in schwimmende Studentenbuden – zu bezahlbarem Preis – umgewandelt wurden, wird das Wasser regelmäßig gefiltert und die Oberfläche gereinigt.

Zu Ingels Konzept der „hedonistischen Nachhaltigkeit“ zählt neben einem Kreislauf der Ressourcen auch eine Steigerung der Lebensqualität für die Städter. Sein Aufruf an seine Kollegen ist optimistisch: „Was wir tun können, ist sicherzustellen, dass wir jedes Mal, wenn wir aufgefordert werden, ein Gebäude oder einen städtischen Raum zu entwerfen, dieses kleine Fragment der Welt genauso gestalten, wie wir es uns von der Welt als ganzes wünschen.“ Auch wenn es noch eines wahren Flash-Gewitters bedarf, um die ideale Stadt zu schaffen. Das Kompendium weist auf jeden Fall schon einmal den Weg dorthin.

Text: Inge Pett

„The Ideal City. Exploring Urban Futures“. Foto: Berliner Gestalten Verlag
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