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Longlife Learning
07. Januar 2021

Warmlaufen

In der ersten Kolumne des neuen Jahres läuft sich Simone von Schönfeldt gedanklich warm für das neue Jahr und verrät, welche Gedanken sie beim Flanieren in der Stadt beschäftigen

Noch Anfang des letzten Jahres stand das exzessive Kochen bei vielen Menschen auf der Top-Ten-Liste der Dinge, die sie am allerliebsten tun – meine Architektenclique übte sich unter anderem in der Herstellung von Kombucha, Cashewkäse und Brennesselpesto, ambitioniertes Nachkochen diverser Schickimicki-Rezepte inklusive.

Total praktisch für die Küchengeräte- und natürlich die Küchendesignindustrie, zu der wir ja als (Innen)Architekt*innen – wenn auch leider zu selten – dazugehören; vom Boom der Bio-, Regional- und Spezialitätengeschäften will ich gar nicht reden. Nicht so praktisch, da Stubenhockerei sich bekannterweise ungünstig auf den Hüftumfang auswirkt. Wäre es nicht schön, würde extremes Spazierengehen diesen Trend, wenn nicht ersetzen, doch wenigstens ergänzen?

Zugegeben – dieser Gedanke kam mir auf einer meiner Runden, die ich zwischen der Hasenheide, dem Tiergarten, dem Plötzensee und dem Volkspark Friedrichshain täglich drehe, wenn ich nämlich keine Lust habe, mit dem Rad (Regen), den Öffis (zu voll) oder einem geborgten Auto (hab keins) aufs Land zu fahren, um dort bei Seeumrundungen und Walderkundungen die vielen anderen Berliner zu treffen.

Das Spazieren oder auch besser Flanieren in der Stadt hat ja eine lange Tradition. Es ist aus meiner Sicht der pure Luxus, das Haus ohne ein Ziel, einen Termin, einen „Weg“ zu verlassen, und schon vor der Tür stellt sich die Frage: wo lang? Man setzt sich in Bewegung und es ergibt sich ja dann von ganz alleine, dass man schließlich die wohlbekannten Pfade verlässt und, statt links herum zu gehen, lieber einmal rechts abbiegt. Typbedingt schlendert man gedankenversunken des Weges oder geht forschen Schrittes echte Strecken. Jetzt durch die leere Innenstadt zu laufen, Geschäfte geschlossen, kaum Verkehr – das hat seinen Charme. Gibt es einem doch Gelegenheit, den Blick tatsächlich auf die Architektur, die Materialität und die Nutzungen zu lenken und darüber nachzudenken, wie das alles wohl in zehn Jahren aussehen wird. Das Verwaisen der Innenstädte ist vielerorts ein Thema – was wird wohl mit den Shops und Büros in Berlin Mitte?

Welche Auswirkungen hat der Onlinehandel? Bleibt alles beim Alten? Oder wird es eine Renaissance der kleinen spezialisierten Fachhändler aller Art geben? Was für andere Ideen und Möglichkeiten gibt es, dem Leerstand vorbeugend neue Nutzungskonzepte auszuprobieren? Aus welchen Erfahrungen kann man schöpfen, welche Steine müssen aus dem Weg geräumt werden? Wie sieht eine resiliente Stadt aus, was muss sie können, welche Komponenten werden wichtiger, welche unwichtiger?

Dies als gedankliches Warmlaufen für 2021. Um noch einmal auf das Essen zurückzukommen: Auf einer angemessen langen Spazierrunde entdeckt man natürlich einiges: einen gut sortieren Gemüseladen, eine Schokoladenmanufaktur, ein Fischgeschäft und einen Weinladen – und mit etwas Glück ein Blumengeschäft, dessen Tür offen steht und wo man eine Ladung Tulpen kaufen kann, die das Warten auf den Frühling wunderbar verkürzt. Und ganz nebenbei war Gelegenheit zum Nachdenken und sind 15.000 Schritte gelaufen.

Bis in zwei Wochen!

Eure Simone von Schönfeldt

Architektin, Organisationsberaterin, Baufachjournalistin

Gründerin von arbeiten übermorgen – Weiterbildung & Weiterentwicklung für Architekt*innen

 

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Titelbild: Mit ihrer Kolumne für NXT A hält Simone von Schönfeldt Euch alle zwei Wochen auf dem Laufenden. Foto: privat
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