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Arts & Culture
22. April 2021

Über die Beziehung zwischen künstlerischem Prozess und umgebenden Raum

Dass Architektur und Kunst in ständigem Austausch sind, zeigt aktuell die Münchner Galerie Britta Rettberg. Dort, im Münchner TU-Viertel, sind noch bis zum 29. April die Werke von Patrick Ostrowsky zu sehen. Der junge Künstler setzt sich in seinen Arbeiten mit den Zusammenhängen des menschlichen Handelns und der gebauten Umwelt auseinander

Die Gebäude unserer Umwelt spiegeln gleichzeitig auch aktuelle Gesellschaftstendenzen wieder: Wünsche, Vorstellungen, Ziele. Somit sind Architektur und Städtebau zusammen mit Kunst im ständigen Austausch und Zusammenhang zu sehen, da sie durch äußere Faktoren beeinflusst werden und damit typisch für die jeweilige Zeit sind und werden.

Menschen hinterlassen Spuren, die jedoch von unaufmerksamen Augen als Ruinen abgetan werden, obwohl hier viel über die Geschichte und auch die Zukunft eines Ortes herausgelesen werden kann und sie damit als materialisierte Erscheinungen der Zeit zu gelten. Genau hier setzen die Werke von Patrick Ostrowsky an: Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen künstlerischem Prozess und umgebenden Raum. Sein kreativer Schaffensprozess ist von der gebauten Umwelt inspiriert und zeigt den materiellen Aspekt der jeweiligen Orte auf: Bruchstücke, Ruinen oder Baureste. Seine oft skulpturalen Werke reflektieren daher den Ort, an dem sie entstanden sind und speichern somit gleichzeitig auch die Erinnerungen, die den Objekten innewohnen.

Bei einigen Arbeiten der Ausstellung fühlt man sich als Betrachter tatsächlich an Gebäude erinnert, Gebäude, die schon lange nicht mehr genutzt werden und ihre Zeit hinter sich haben. Man möchte die Arbeiten und deren Oberfläche berühren und genauer betrachten: Materialwechsel, unterschiedliche Farben und das Zusammenspiel der Materialien miteinander. Die auch an Ruinen erinnernden Objekte sind dem Künstler zufolge auch eine Reaktion auf die allzu perfekt wirkende Stadt München, die kaum „Unorte“ wie man sie in anderen Städten häufiger findet, besitzt und wo alles sehr sauber, ordentlich und aufgeräumt wirkt.

Die Inspiration zu den Arbeiten hat Patrick Ostrowsky während einer Italienreise bekommen, wo er in Calambrone, einem kleinen Ferienort bei Pisa, einige kleine Fragmente von leerstehenden Gebäuden der Colonia Marina, eines Ferienwohnungskomplexes aus der Mussolini – Zeit fand, welche ihn aufgrund der Monumentalität der Architektur in gewisser Weise auch an Tempel erinnerten. Die Gebäude sind sich seit Jahrzehnten selbst überlassen und den zurückerobernden Kräften der Natur ausgeliefert, worin sich eine gewisse Schönheit dieses vergessenen Ortes zeigt.

Eine weitere Inspirationsquelle war und ist sein Atelier im Münchner Kreativquartier: Hier entsteht auf einem ehemaligen Kasernengelände im Norden der Stadt ein Ort, in dem Wohnen, Kunstproduktion, Kreativität und Kultur aufeinander treffen und aktuell viel Wandel stattfindet und viel (um)gebaut wird.

Dies zwei doch recht gegensätzlichen Pole bringt Ostrowsky dann einmal mit der Idee eines Ortes (Calabrone) und dem physisch fassbaren Ort (dem Münchner Kreativquartier) in seinen speziell für die Ausstellung geschaffenen Werken zusammen. Man kann die Arbeiten damit auch als eine Antwort auf eine perfekte Vorstellung der gebauten Umwelt sehen, die tatsächlich gar nicht so perfekt ist und sich auf die jeweiligen Situationen anpasst.

Der Künstler selbst sieht seine Werke auch als Zeitkapseln, welche die Geschichte eines Orts durch die in den verwendeten Fragmenten beinhalteten Erinnerungen weitertragen. Damit helfen seine Skulpturen, unser Handeln in der gebauten Umwelt durch die materielle Erscheinung zu visualisieren.

Der Titel der Ausstellung „Unkultiviert“ drückt die den Werken inne liegende Rohheit aus und ist zudem eine Anspielung auf die aktuelle Zeit, in der wir uns befinden: Die Möglichkeit, Kunst und Kultur zu erfahren ist aufgrund der geltenden Regelungen kaum möglich und sorgt dafür, dass man innerlich unkultivierter wird. Dem möchte Patrick Ostrowsky mit seinen Werken entgegenwirken, indem sie an der Grenze zwischen Kunst und Architektur Transformations- Aneignungs- und Veränderungsprozesse eines Ortes wiederspiegeln, indem die jeweiligen Spuren in den Arbeiten erkennbar bleiben. So kann der Betrachter gewöhnliche oder alltägliche Dinge in einem neuen Blickwinkel wiederentdecken.

Die Ausstellung „Unkultiviert“ ist in der Galerie Britta Rettberg noch bis zum 29. April unter Einhaltung der aktuell geltenden Regelungen zu sehen.

Es gibt auch die Möglichkeit, die Ausstellung in einem digitalen Viewing Room zu sehen, den ihr hier findet.

 

Text: Mandana Bender

 

Foto: Galerie Britta Rettberg
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