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Longlife Learning
02. November 2020

Tutto fantastico?

Der 3D-Druck ermöglicht uns heutzutage direkt vor Ort auf der Baustelle maßgefertigte Häuser zu extrudieren. Doch was bedeutet das für Architekten und Architektinnen? Was heißt es, ein 3D-Haus zu planen? Und welche Möglichkeiten wären jenseits prozessbedingter vordefinierter Standards denkbar? Diesen und weiteren Fragen geht Simone von Schönfeldt in ihrer aktuellen Kolumne auf den Grund

Lese ich von Häusern aus 3D-Druckern bin ich einerseits begeistert, andererseits bekomme ich als Architektin leichte Beklemmungen. Innovation und neue technische Möglichkeiten faszinieren mich. Die Zeitersparnis beim Bauen ist zweifellos bemerkenswert – ein Tiny House mit 38 Quadratmetern wurde von einem US-Start-up wohl innerhalb 24 Stunden gedruckt. Es heißt, das gedruckte Haus könne bis zu 70 Prozent günstiger gebaut werden als ein konventionelles [1]. Was bedeutet das wohl für uns als ArchitektInnen? Planen und während gedruckt wird Kaffee trinken und immer mal nach dem Rechten sehen? Oder Arbeitslosigkeit – ach nein, keine Schwarzmalerei, schon gar nicht vor dem nächsten Lockdown!

Was hieße es denn überhaupt, ein 3D-Haus zu planen? Wie stark wäre man eingeschränkt oder anders: Was für Möglichkeiten wären jenseits prozessbedingter vordefinierter Standards denkbar? Hieße das noch mehr Uniformität oder eröffnen sich neue kreative Möglichkeiten? Und in welchen Größenordnungen denken wir hier eigentlich – geht es vorrangig um Eigenheimbau oder werden auch große Baustellen schon bald von Druckern statt von Baggern und Kränen dominiert?

Einmal vernünftig durchplanen, Kosten senken, Projekt zügig durchziehen und Zeit sparen – das klingt ja insgesamt sehr vernünftig. Insbesondere nachdem unser Berufsstand auf ZDF Info in der zweiteiligen Dokumentation „Murks in Germany“ berechtigterweise ziemlich zerrissen wurde [2]. Ilka May, Mitglied der Reformkommission, die den 10-Punkte-Plan für Großprojekte erarbeitet hat, macht in der Doku glücklicherweise deutlich: Jetzt ist die Politik als Auftraggeber des Handbuches am Zuge, kluge Entscheidungen zu treffen und den Weg für gut laufende Projekte zu bereiten – nur leider tut sich da wohl wenig. Und auch Christine Edmeier stärkt unserer Zunft den Rücken, wenn sie sagt, dass wir Experten Bauprojekte managen müssen und diese keine Bühne für Politiker sein dürfen.

Noch mal zurück auf die 3D-Drucker: Sparen wir durch sie Zeit, könnten wir auch bürointerne Prozesse optimieren und digitalisieren. Spart am Ende noch mehr Zeit und langfristig auch Geld. Könnte auch bedeuten: Weniger Überstunden, mehr Freizeit, 3-Tage-Woche Stunden bei gleichem Einkommen…
Vielleicht hätten wir im Architekturbüro sogar Zeit für noch größere organisationale Experimente wie sie in anderen Branchen üblich sind: Urlaub so viel man mag, viel mehr Selbstbestimmung und Zeit für Kreativität. Oder Spesen für regelmäßige Abendessen und Zeit zum Netzwerken oder Nachdenken, einen neuen Laptop, weil man Lust drauf hat – ohne zuerst drei Unterschriften einzuholen. Klingt für viele undenkbar – ist aber ganz klar auch kalkulierte Freiheit, liest man etwa Interviews mit Netflix-Chef Reed Hastings [3] oder sein neues Buch „Keine Regeln“.

So, Leute – ich will ehrlich sein: Es ist mal wieder fast 21.30 Uhr und ich hatte mir die Sache mit dem regelmäßigen pünktlichen Feierabend so fest vorgenommen…

Bis in zwei Wochen,

Eure Simone von Schönfeldt

Architektin, Organisationsberaterin, Baufachjournalistin

Gründerin von arbeiten übermorgen – Weiterbildung & Weiterentwicklung für Architekt*innen

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[1] Burkhard Strassmann: „Ein Haus, das aus dem 3-D-Drucker kommt. Ein Fortschrittsbericht“, Die Zeit N.44 vom 22. Oktober 2020, S.40

[2] ZDF Info: https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/murks-in-germany-warum-grossprojekte-scheitern-100.html
[3] Reed Hastings: „Keine Regeln: Warum Netflix so erfolgreich ist“, Econ 2020

Titelbild: Mit ihrer Kolumne für NXT A hält Simone von Schönfeldt Euch alle zwei Wochen auf dem Laufenden. Foto: privat
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