Schanigärten – Pasta oder Parkplatz?
In vielen deutschen und anderen europäischen Städten erfreuen sich die sogenannten Schanigärten größter Beliebtheit bei der Bevölkerung. Sie kommen ursprünglich aus Österreich und bezeichnen einen direkt vor einem Restaurant oder Café auf öffentlichem Grund liegenden Bereich, auf dem Tische zum Essen und Trinken aufgestellt sind, welche oft mit Blickschutzwänden eingezäunt sind, auf Holzpaletten errichtet sind oder mit Pflanzen geschmückt werden. Es handelt sich dabei nicht um einen Garten oder Grünbereich und geht über die gekennzeichnete Außengastronomie – die weißen Punkte am Bürgersteig – hinaus.
Auch in Rom dürfen die Restaurants und Cafés derzeit ihre Außengastronomie als Folge der Corona-Pandemie großzügig erweitern um mehr Kundschaft empfangen zu können. Das freut zwar die Wirte und Wirtinnen, aber nicht alle Römer:innen.
Ein lauer römischer Abend, wie man ihn sich vorstellt: Knatternde vorbei tuckernde Vespas, während man Pizza oder Pasta genießt. Italien wurde besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen und die Italiener:innen mussten sehr restriktive Maßnahmen aushalten. Der Tourismus kam 2020 teilweise komplett zum Erliegen. Es gingen über 500.000 Arbeitsplätze in der Hotel- und Gastronomiebranche verloren und Restaurants erlitten einen Umsatzeinbruch von durchschnittlich über 50 Prozent.
Aufgrund der allgemeinen Entspannung der Corona-Situation und auch das Wiedererwachen des Tourismus beschloss die Römische Regierung, dass die rund 10.000 Restaurants und Bars der Stadt bis Ende 2021 unentgeltlich Außensitzplätze auf öffentlichem Grund erreichten dürfen. Eigentlich würde eine 50 Quadratmeter große Terrasse im öffentlichen Raum etwa 14.000 Euro pro Monat kosten – der Wegfall dieser Zahlungen bedeutet für viele (kleinere) Betriebe eine enorme finanzielle Erleichterung.
Auch in den deutschen Metropolen ist die Schaffung eines „Schanigartens“ für die Gastronomen mit möglichst wenig Hürden verbunden. Kerstin Schreyer, Bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, sagt dazu: „Ich wünsche mir eine flexible, unbürokratische Lösung für die Schanigärten. Die Städte und Gemeinden können die Standorte und sonstigen Vorgaben unter Berücksichtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs selbst bestimmen“. Auch entfalle ein formeller Bauantrag an die Baubehörde, wodurch auch im Idealfall mehr Bürokratie in den Kommunen abgebaut wird.
Jedoch gibt es auch eine Kehrseite – nicht nur in Rom, auch beispielsweise in München: Die Inanspruchnahme des öffentlichen Raums geht zu Lasten der Autofahrer:innen beziehungsweise ihrer Parkplätze und der Anwohner:innen, die sich teilweise über mehr Lärm beklagen. Gerade in Rom, wo auf 100 Einwohner:innen etwa 62 motorisierte Fahrzeuge kommen, sind Parkplätze sowieso schon rar gesät. Dass nun weitere wegfallen, stößt daher nicht auf Begeisterung unter den römischen Autofahrer:innen. Dennoch ist das nur ein Nebenschauplatz, denn der Individualverkehr in Rom ist extrem gestiegen: Viele Menschen verwenden das Auto selbst für kürzeste Distanzen, entsprechend hoch sind Verkehrsaufkommen und Umweltbelastung. Statistisch verbringt jede/r Einwohner:in der Stadt pro Jahr 20 Tage im Stau. Vielleicht kann die krisenbedingte Umwidmung des Straßenraums daher die Stadtbewohner:innen zum Nach- und Umdenken anregen.
In München hat man eine ganz pragmatische Lösung gefunden, die jedoch auch wieder Nachteile mit sich bringt: Die Autos parken nun einfach vor bzw. um die jeweiligen Schanigärten – was bei breiteren Straßen kein Hindernis darstellt, bei engen Straßen jedoch oft für ein kleines Verkehrschaos sorgen kann. Die Stadtverwaltung hat dieses Vorgehen jedoch für die Stellen, an denen die Autos den Verkehrsfluss nicht behindern, erlaubt, auch wenn dies keine ausgewiesenen Parkplätze sind.
In den Wintermonaten werden die Schanigärten dann abgebaut, damit die Parkplätze wieder genutzt werden können. Manuel Pretzl, Fraktionschef der CSU, erklärt, dass Schanigärten als Ausdruck neuer Freiheit im öffentlichen Raum gefeiert würden und viele Menschen gerne auf den neu gewonnenen Flächen säßen. „Gleichzeitig war klar, dass der Parkdruck dadurch steigt. Hier zeigt sich, dass es richtig ist, die Schanigärten im Herbst wieder abzubauen“, so Pretzl. Auch er plädiert für Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer. „Wo es eng wird, müssen alle aufeinander schauen – der Autofahrer, wenn er parkt, und die anderen Verkehrsteilnehmer, wenn sie vorbei möchten.“ Eine Überregulierung durch weitere Verbote im öffentlichen Raum sei weder wünschenswert noch zielführend.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt – in Rom und in der nördlichsten Stadt Italiens.
Text: Mandana Bender