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Architecture
30. Juni 2020

Rotterdams neuer Kunstspeicher

Das Rotterdamer Museum Boijmans Van Beuningen baut ein multifunktionales Kunstdepot. Konzipiert ist es als Verlängerung der bestehenden Ausstellungsflächen. Ab 2021 soll es jedem zugänglich sein. Der Entwurf stammt von dem niederländischen Architekturbüro MVRDV. Seit 2017 wird gebaut

Das Rotterdamer Architekturbüro MVRDV, das in der Hafenstadt bereits für die neue Markthalle verantwortlich zeichnet, zieht bei seinem an das Guggenheim Museum oder wahlweise eine überdimensionale Kaffeetasse erinnernden Rundbau alle Register, um das Konzept eines externen Kunstspeichers auf den Kopf zu stellen, angefangen bei der verspiegelten Außenfassade, in der sich der Museumspark und die zum benachbarten Museum Boijmans Van Beuningen führende Straße zu erkennen geben, drei transparenten Aufzügen und der Dachterrasse, auf der sich ein veritabler Garten aus 78 Birken niederlassen soll, samt Restaurant und Terrasse.

Vom ersten Stock lässt sich das Atrium von gut dreißig Metern Höhe im Zickzack per Treppen ersteigen, wie in einem schwindelerregenden Labyrinth von Giovanni Piranesi. Hier begegnet man den übereinander gehängten Bildern, die auf Augenhöhe oder mithilfe von Ferngläsern studiert werden können. Die Depots sind nach Gattungen wie Gemälde, Fotografie oder Grafik strukturiert. Weitere Flächen stehen für temporäre Ausstellungen bereit. Besonders geschützte Bestände lassen sich mit Hilfe von Nachtsichtgeräten in Augenschein nehmen, ergänzt durch Informationen, die digital für jedes Objekt zur Verfügung gestellt werden. Da nur ein Bruchteil der exzellenten Sammlung im Haupthaus, das sich parallel für sieben Jahre ebenfalls im Umbau und Renovierung befindet, gezeigt werden kann und die bisher über die Stadt verteilten Depots vom Hochwasser bedroht sind, entschieden sich Direktor Sjarel Ex und sein Komitee 2014 für die ungewöhnliche Lösung, alle 145 000 Werke der über 165 Jahre alten Sammlung nebenan der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das sechs Stockwerke umfassende, mit modernster Klimatechnik, einem Wasserspeicher für das Dach, LED Licht, Solarzellen und nachhaltigen Materialien ausgestattete Betongebäude, dessen Investitionskosten auf 85,5 Millionen Euro beziffert sind, soll zur Architekturikone taugen, zu einem neuen Wahrzeichen gar, dem Privatsammler, Unternehmen und andere Museen ihre Schätze bereitwillig zur Lagerung anvertrauen möchten. Anmeldungen gibt es für die Fläche von 15 541 Quadratmetern bereits vor der für 2021 geplanten Eröffnung zuhauf. Die Stadt zahlt nur die Kosten von 2,5 Millionen Euro für die Aufbewahrung der eigenen Sammlung. Der Rest soll aus Mieteinnahmen und Eintrittsgeldern kommen. 

Man rechnet mit jährlich 120 000 Besuchern, die geführt oder in Alleinregie durch das Depot flanieren. Im Backstage-Bereich empfiehlt sich der Besuch bei Kuratoren, die gerade eine Ausstellung vorbereiten oder die Inspektion klimatischer Konzepte für Werke, die auf Reisen in andere Museen gehen. Die Event-Strategie, ein Depot in eine kommerzielle Einnahmequelle zu verwandeln, die erste ihrer Art weltweit überhaupt, hat bereits neugierige Anfragen des Frankfurter Städels oder des Londoner Victoria and Albert Museum nach sich gezogen. Darauf, ob sich das Collectiegebouw-Projekt tatsächlich als visionäre Pioniertat mit zahlreichen Nachahmern erweisen wird, darf man gespannt sein. Ein architektonischer Wunderkasten wird es allemal.

Text: Alexandra Wach

Die neue Ausgabe unserer BAUMEISTER Curated-Reihe hat diesmal übrigens Winy Maas, Partner des Büros MVRDV, kuratiert. Ein BAUMEISTER Curated-Testabo gibt es bei uns im Shop: https://shop.georg-media.de/baumeister-curated-testabo/ – es startet mit der Ausgabe MVRDV am 26. Juni und endet nach der dritten Ausgabe automatisch.

Green Dip: Knapp 80 Bäume werden das Kunstdepot des Boijmans van Beunigen Museums in Rotterdam bekrönen. Foto: MVRDV
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