LUMA Foundation in Arles mit Kunstturm von Frank Gehry eröffnet
Für die südfranzösische Kleinstadt Arles bedeutet der Turm von Frank O. Gehry ein neues Wahrzeichen, nicht nur wegen seiner Größe, der gedrehten Form und seiner im Sonnenlicht funkelnden Aluminiumfassade, sondern auch, weil sich das Gebäude innerhalb des Art Campus der LUMA Foundation in Frankreich befindet und damit zu einem Anziehungspunkt in der Region zu werden verspricht.
Arles war seit jeher für die Kunst eine Inspirationsquelle, schon Vincent van Gogh ließ sich hier wegen des besonderen Lichts der Provence nieder. Dieses berühmte Licht bricht, flirrt und reflektiert sich nun in den über 11.000 aus Aluminium bestehenden Quadern auf der Fassade des Turms.
Für Gehry war dieses Projekt sicherlich keine ganz neue Aufgabe, denn mit Museumsgebäuden kennt er sich aus: Neben dem Guggenheim Bilbao und dem Vitra Design Museum in Weil am Rhein sowie der zuletzt im Jahr 2014 fertiggestellten Fondation Louis Vuitton bei Paris schuf der inzwischen 92-Jährige herausragende Gebäude, die neben dem eigentlichen Zweck der Kunstvermittlung nicht nur, aber auch aufgrund der besonderen Architektur viele Besucher anziehen und inzwischen zu eigenen Sehenswürdigkeiten geworden sind.
In seinem neuesten Werk winden sich acht Stockwerke aus einem gläsernen Sockel in einer Gesamthöhe von 56 m in Verdrehungen und unzähligen Winkeln heraus und bieten insgesamt eine Fläche von etwa 15.831 qm. Der Turm der LUMA Foundation beherbergt nun Galerie-und Projekträume und bietet dazu Büroflächen für Forschung und Archivierung. Zudem befinden sich Workshop- und Seminarräume im Gebäude.
Im Jahr 2008 erwarb Maja Hoffmann das ehemalige SNCF- Gelände mit seinen historischen Lokomotiv-Werkstätten und lies diese seitdem von Selldorf Architects aus New York schrittweise zu Ausstellungs- und Performanceräumen, Ateliers und Gastronomie umbauen. Schon seit 2014 werden diese restaurierten Fabrikgebäude durch die Fondation LUMA bespielt. Auf dem Gelände befindet sich auch ein öffentlicher Park, der vom Landschaftsarchitekten Bas Smets aus Brüssel als mediterraner Garten mit über 500 neugepflanzten Bäumen konzipiert wurde. Auf einem Gelände, dass ursprünglich sieben Bahnfabriken beherbergte, gibt es nun neben dem Turm in vier der von Selldorf Architects aus New York renovierten Fabrikgebäude Ausstellungs- und Performanceräume.
Die Kunstsammlerin und – Mäzenin Maja Hoffmann, die aus der Familie des dem Umsatz nach weltgrößten Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche stammt, ist selbst in Arles aufgewachsen und zur Schule gegangen. Im Jahr 2004 hat sie die Schweizer Luma-Stiftung mit Sitz in Zürich ins Leben gerufen zur Förderung interdisziplinärer Projekte in den Bereichen Kunst und Kultur, Menschenrechte, Umwelt, Bildung und Erziehung. Sie wollte aber auch schon immer “ihrer” Stadt etwas zurückgeben und plante daher seit etwa 15 Jahren an der LUMA Foundation in Arles, sodass man dieses Projekt ohne weiteres als ihr Lebenswerk bezeichnen kann. Sie wollte damit eine “Utopie für eine Kulturinstitution des 21. Jahrhunderts” schaffen, nicht mehr und nicht weniger. Auch der Turm war ihre Idee, nicht die der Architekten.
Seit dem 26. Juni ist das dreieinhalb Hektar große alte Fabrikgelände für alle kostenfrei zugänglich. Jugendliche können zum Beispiel in einem phosphoreszierenden Skatepark der koreanischen Künstlerin Koo Jeong A skaten und damit spielerisch an die Kunst herangeführt werden. Denn, und dies ist die dunkle Seite von Arles, 23 % der Einwohner leben unter der Armutsgrenze. Die Fondation Luma Arles verspricht, ein neuer Publikumsmagnet zu werden und auch für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen.
In jedem Raum des Turms oder in den renovierten Fabrikhallen und im Park entdeckt man einen anderen Künstler oder eine andere Künstlerin: Der deutsche Installationskünstler Carsten Höller beispielsweise hat eine zauberhafte Spiegel-Brücke über den See im Park erfunden, seiner “Isometric Slide”, einer Stahlrutsche, ist in das Innere des Turms eingebaut worden. Olafur Eliasson hat einen monumentalen, sich drehenden Deckenspiegel geschaffen, der die Betrachter:innen in Staunen versetzt. Der Pariser Videokünstler Pierre Huyghe hat eine riesige alte Eisenbahnhalle verdunkelt, um von dort lebenden Bienen und Ameisen ständig neue LED-Bilder zu produzieren; ein Prozedere, gesteuert durch künstliche Intelligenz und Gehirnströme der Besucher, heißt es. Pierre Huyghe ist einer der Künstler, die genau zu Hoffmanns Vorstellung passen, sie möchte nämlich in Arles Kunst produzieren, nicht kommunizieren. Das bedeutet, dass es weder einen Gift-Shop noch starke Werbung für das neue Gelände gibt, dafür kommen regelmäßig neue junge Künstler für Residencies, um in diesem kreativen Umfeld ihrer Kunst ungestört nachgehen zu können. Es gibt Werkstätten und Labors auf dem Gelände, die neue biologische Materialien für die Kunst liefern können, wodurch neue Techniken ausprobiert werden können. Auch eine Kunstschule ist auf dem Gelände geplant.
In der historischen Altstadt mit ihren engen Gassen sind Turm und Gebäudekomplex nicht zu sehen, aber sobald man aber die Stadtmauer hinter sich lässt, ragt der gedrungene Turm aus der flachen Bebauung von Arles hervor. Die historische Architektur wird trotz aller Modernität von den Architekt:innen mehrfach zitiert: So etwa ist das Format der Kalksteinquader, welches in den römischen oder romanischen Bauwerken der Altstadt zu sehen ist, dasselbe wie der der Quader an der Fassade.
Auch der Alpilles-Kalkstein wird teilweise besonders sichtbar verwendet, beispielsweise an der stadtabgewandten Seite des Turms. Somit fügt sich der Komplex in die historische Architektur und die Landschaft ein.
Der gläserne Sockel und das eigentliche Ausstellungsgebäude, auf dem sich der Turm erhebt, ähneln vom Maß dem zentralen Monument der Stadt Arles, dem römischen Amphitheater, was von Gehry beabsichtigt war, um die römische Architektur zu zitieren. Eine spektakuläre Wendeltreppe, die den Treppen im Theater ähnelt, führt durch die verschiedenen Etagen und öffnet den Besucher:innen den Blick auf das hochkarätige Kunstprogramm der Fondation LUMA, ausgehend von der Sammlung der Familie Hoffmann und erweitert um die bereits genannten neue Werke von Olafur Eliasson oder Carsten Höller.
Auch die Umwelt wurde bei dem Bau mitbedacht: Gehry Partners haben das Gebäude für einen minimalen Energieverbrauch geplant, Photovoltaikanlagen sorgen für entsprechende Energie ebenso wie ein zentrales Heizsystem mit Biodiesel. Der Glassockel wird automatisch verschattet und der Turm besitzt ein nachhaltiges Durchlüftungssystem. Hinzu kommt, dass hauptsächlich regionale Materialien und Firmen an der Realisierung beteiligt sein sollen.
In den neuen Räumlichkeiten werden seit dem 26. Juni Werke der LUMA Foundation und Sammlung Hoffmann präsentiert, unter anderem von Alighiero Boetti, Ian Cheng, Isa Genzken, Annie Leibowitz, Anri Sala und vielen weiteren hochkarätigen modernen und zeitgenössischen Künstlern.
Luma Arles ist damit eine Ideenschmiede für Kultur und Ökologie. Architektur, Kunst, Forschung und Umweltschutz greifen hier ineinander und schaffen so in dem kleinen Städtchen ein neues Kreativzentrum für Kunst und Kultur in Europa.
Mehr Informationen zum aktuellen Programm findet ihr hier.
Text: Mandana Bender