„Leif Trenkler – Sehnsucht“ in der Münchner Galerie Jahn
Parallel zu Leif Trenklers Einzelpersonale „Coloured Beauty“, mit dem das Bucheim Museum bei München derzeit das Schaffen dieses Künstler würdigt, zeigt die Galerie Wolfgang Jahn unter dem Titel „Sehnsucht“ ebenfalls ausgewählte Arbeiten, die einen eindrücklichen Einblick in sein aktuelles Werk geben. Leif Trenkler, 1960 in Wiesbaden geboren, studierte Malerei an den renommierten Akademien in Frankfurt und Düsseldorf, u.a. bei Thomas Bayrle und Jörg Immendorff. Er gilt als wichtiger Vertreter der Neuen Figuration in Deutschland. Seine Werke werden bis heute in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und sind in etlichen Sammlungen vertreten.
Leif Trenkler ist gleichermaßen ein geistig-malerischer Ver- und Entführer. In seinen Bildwelten spielt er mit unserer tief empfundenen Sehnsucht nach einem unbekümmerten Leben und Verweilen an ausgesucht idyllischen Orten irdischer Paradiese, um dem eigenen Trubel und Trott eines weitgehend gleichgeschalteten Alltags in eine Gegenwelt des achtsamen Müßiggangs zu entfliehen. Die in harmonischen Kompositionen festgehaltenen Motive triggern Betrachter:innen und versetzen uns für die Dauer eines Augenblicks in tropische Landschaften und an Traumstrände, in glückserfüllte Szenerien aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten bis hin zu mediterranen Sommersitzen in jenem Land, wo bekanntlich die Zitronen blühen.
Wasser- und Poollandschaften mit prächtigen Bungalows und Villenarchitekturen, eingebettet in ein beeindruckendes Natursetting aus Schilf, Palmen, Orchideen und Zedern setzen, zusammengenommen mit einer nicht selten bewusst übersteigerten zuckersüßen Farbigkeit aus kontrastreich abgesetzten Buntwerten, einen Kontrapost zum grauen Alltag und laden die Fantasie zum vordergründig unbeschwerten Träumen ein. Meist sind die Orte menschenleer und dort, wo Figuren auftauchen, werden sie zur Staffage oder zu Platzhaltern für die eigene Identifikation. Die Bilder werden so zu einer Projektionsfläche für den individuellen Fluchtplan zu den auf sich wartenden Möglichkeiten. Dann aber wieder fühlt man sich wie ein lottospielender Zaungast, der einen Blick auf die leerstehenden, ungenutzten Domizile der Schönen und Reichen erhascht, die mitunter auch wie vom Leben abgeschottete goldene Käfige gelebter Einsamkeit wirken.
Trenklers Bilder lassen sich in gewisser Weise als eine zeitgemäße Luxus-Adaption des antiken „Arkadien“-Mythos verstehen, jener verklärten, idealistischen Vorstellung von einem Ort des Goldenen Zeitalters, an dem die Menschen ohne mühevolle Arbeit und Sorgen frei im Einklang mit der Natur leben. Doch genauso wie der Mythos dieses Schäferidylls als ein Ideal zu verstehen ist, das die raue Wirklichkeit eines Hirtenlebens inmitten einer unzubändigenden Natur zugunsten einer romantischen Vorstellung von Freiheit ausblendet, zeigen auch Trenklers Bilder letztlich Scheinidyllen, denen eine eigenartige und wehmütige Melancholie innewohnt. Sie birgt in sich das Wissen, vergleichbar dem letzten Blick auf das Meer für lange Zeit am Ende eines Urlaubs, dass ein dauerhaftes Leben in unbeschwerter Wohlgefälligkeit ein kaum zu erreichender Zustand und damit Illusion ist.
Auszeit, Erholung und gelebte Freiheit bleiben temporär und sind der abgesicherte Modus des zur Produktivität verpflichteten Alltags, der uns kurzfristige Momente wie diese überhaupt erst ermöglichen kann. So wirken die von Trenkler vorgestellten Szenerien eigentümlich entfremdet und entrückt. Wie Traumbilder verkörpern sie einen konstruierten Modellcharakter, der auf die Wirklichkeit verweist, sie aber buchstäblich nicht im „Detail“ abbildet. Trenklers figurative Kompositionen verdichten bewusst die Wiedergabe des Gegenständlichen mit den Verfremdungseffekten der Abstraktion. Das Erscheinungsbild seiner umgesetzten Motive setzt sich zusammen aus detaillierten und farblich nuancierten Passagen, wie man sie etwa immer wieder in den Versatzstücken der Natur in seinen Bildern finden kann, die in unterschiedlichen Grüntönen den Einfall des Lichts und seinem Schattenspiel akkurat wiedergegeben.
Doch kombiniert Trenkler diese Elemente mit scharfkantigen, einheitlich gestalteten Farbflächen, wie sie sich zuweilen in der Darstellung des Himmels, der Flachdächer, Mauern und Bodenplatten etc. finden lassen. Hier behauptet sich die Farbe in ihrem tonalen Eigenwert, Konstruktionsdetails verblassen, Schatten als Referenz zur Wirklichkeit fehlen hie und da oder entwickeln gelegentlich als deutlich schematisch-reduzierte Formen ein malerisches Eigenleben, das über den Eindruck von Realität hinaus verweist.
Immer wieder nimmt Trenkler dabei in eigenständiger Weise Bezug zur jüngeren wie auch älteren Kunstgeschichte. Die Wahl und Umsetzung seiner Motive nimmt Anleihen an die Pop-Art und lässt an die Bildwelten eines David Hockneys wie auch mitunter an die flächig reduzierten Figurationen eines Alex Katz denken. Dann wiederum findet man Verweise zur Kunst und den Themenwelten der Alten Meister. Wie diese malt Trenkler anstatt auf Leinwand gerne auf einem Holzgrund.
Seine Motive verbindet er zuweilen mit dem Hintergrund mythologischer Sagenkomplexe, sei es das erwähnte „Et in Arcadia Ego“ oder aber in der augenzwinkernden Titelgebung eines Bildes mit zwei Booten, das er „Die Argonauten“ nennt und damit einen gedanklichen Brückenschlag zu Homers „Odyssee“ schlägt, in der von dem Helden Iason und seinen Seefahrern auf der Suche nach dem „Goldenen Vlies“ und dessen anschließenden Raub berichtet wird. Es scheint ganz so, als folge das Tun der Müßiggänger in Trenklers Bild einer höheren Bestimmung oder schlichtweg der Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Abenteuer von Bedeutung. Besonders deutlich wird ein altmeisterlicher Bezug aber im gewählten Kompositionsschema seines Bildes „Flirt“, das im übertragenen Sinne an eine Verkündigungsszene erinnert und den vermeintlich trivialen Moment eines flüchtigen Annäherungsversuches im Bild spannungsreich zu überhöhen vermag.
Die in sonnendurchfluteter, karibischer Farbigkeit gehaltene Strandszene zeigt die zugewandte Begegnung eines Jungen und Mädchens unter einer Palme. Wie bei den Darstellungen der Verkündigung Mariens durch den Erzengel Gabriel findet hier eine Annäherung im Zusammentreffen statt , die jedoch durch den bewussten Einsatz kompositorischer Mittel formal strikt getrennt bleibt, um die himmlische und irdische Sphäre sich zwar im Augenblick begegnen, aber nicht verschmelzen zu lassen. Während bei den Alten Meistern penibel darauf geachtet wird, dass zum Beispiel der Gewandbausch des Engels nicht die Bodenfließen im Sinne einer Trennungslinie zum Bereich Marias überschreitet, ist es bei Trenkler das zentrale, vordergründig wie beiläufig wirkende Element der Palme, das den jungen Mann mit dem Glas von der Bikinischönheit räumlich trennt und dennoch beide im Blickkontakt zueinander treten lässt. Und findet sich bei den Alten Meistern oftmals auch eine Barriere in Form einer angedeuteten Brüstung, die den Bildraum mit dem heiligen Geschehen der Vorsehung wie eine Schranke vom profanen Raum des Betrachters trennt, so könnte man bei Trenkler die am unteren linken Bildrand ansetzenden blau fließenden Formen des Baumschattens im Sand als eine Trennungslinie für den Betrachter zu einer verheißungsvollen Welt ansehen, die sich eines Tages erfüllen mag und an deren Schwelle er jetzt schon angekommen ist.
Text: Dr. Veit Ziegelmaier