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Arts & Culture
24. August 2020

Kunst im Techno-Tempel

Auf Berlins Tanzflächen traf sich die Welt. Seit dort wegen Corona nicht mehr getanzt, geschwitzt, geküsst werden darf, stehen viele Betreiber vor der Insolvenz. Um das Ende der Clubkultur zu verhindern, arbeiten viele Veranstalter an neuen Konzepten. Friedrich Raphael Curschmann berichtet aus Berlin

Das Ende der Berliner Clubkultur ist nicht in Sicht: Vielmehr befindet sich die Szene in einer Umbruchphase, einer Phase der Anpassung an einen neuen Zustand. Die härteste Zeit war die Zeit kurz nach dem 13. März 2020. An diesem Datum stellten die meisten Clubs ihren Betrieb ein. Durch die aufkommende Pandemie waren Menschenansammlungen zu einem Gesundheitsrisiko geworden. Daraufhin folgten der Lockdown und die Kontaktbeschränkungen.

Eine Kettenreaktion entstand: Clubs mussten alle realen Events mit Gästen absagen, und damit wurden Aufträge von DJs und Live-Acts reduziert. Auch der Barbetrieb der Clubs wurde eingestellt. Null Euro Umsatz waren die Folgen. Einige Clubs kamen daraufhin auf die Idee, sich zu verbünden und entdeckten das Live-Streaming für sich. Die größte Streamingplattform ist United We Stream. Dort konnten sich alle Berliner Clubbetreiber melden, um solidarisch gegen die Auswirkungen vorzugehen. Das Watergate, der Klunkerkranich, die IPSE, die Griessmuehle im Exil und weitere Clubs fingen an Musik zu streamen.

Der DJ oder Live-Act legte in einem Club oder einer Off-Location vor einer Kamera auf und das Spektakel wurde über Facebook gestreamed. Die Clubs blieben zwar leer und die Zuhörer tanzten im besten Fall zu Hause. Aber die Clubs konnten so Spenden sammeln, um die fehlenden Einnahmen zu decken. Die eigenen Ausgaben, wurden auf das Nötigste herunter geschraubt.

Es ist ein monatliches über die Runde kommen und die Spenden decken maximal die laufenden Kosten. Jeder neue Monat war ein neuer Wettkampf. Stück für Stück, wurden Lockerungen zugelassen: Es fing mit den Outdoorbereichen, den Clubgärten an.

Nachdem man sich mit seinen persönlichen Daten angemeldet hat, können nun BesucherInnen unter Beachtung der Hygiene-Vorschriften die Club-Gärten zu besuchen. In den meisten Fällen setzen sich die Gäste wie in einem Biergarten an einen Tisch und können dem DJ oder Live-Act aus der Ferne lauschen. Ein Tanzverbot besteht leider bis heute.

Aktuell ist das Wetter noch warm und alle sind draußen an der frischen Luft. Doch wie wird es in der kommenden kalten Jahreszeit aussehen? Wenn wir gezwungen sind uns in die Clubräumlichkeiten zurückzuziehen? Viele VeranstalterInnen und ClubbetreiberInnen arbeiten zurzeit an Hygiene-Konzepten. Denn umfangreiche Hygiene-Konzepte machen es ab 1. Oktober möglich Veranstaltungen mit bis zu 1.000 Gästen zu ermöglichen. Optimal sind große Open-Air-Flächen, auf denen der Mindestabstand gewährleistet werden kann. Desinfektionsmittelsäulen und ausreichend Sanitärstationen sind Pflicht. Sicherheitskräfte achten auf das Einhalten der Hygiene- und Abstandsregelungen.

Andere Clubs versuchen sich an neuen Formaten für ihre Räumlichkeiten. Das Berghain zum Beispiel ist eine Kooperation mit dem Sammlerpaar Christian und Karen Boros eingegangen. Ab dem 8. September zeigt der Techno-Tempel nun Kunstwerke. Die Ausstellung Studio Berlin gibt Künstlern und Künsterlinnen aus Berlin die Möglichkeit, die aktuelle Veränderungen und Strömungen mit ihren Werken zu reflektieren. Die Ausstellung soll so lange stattfinden, bis der Club wieder als solcher öffnen kann.

Es wird probiert und getüftelt, um Dinge möglich zu machen in Zeiten des Unmöglichen. Es ist und bleibt eine Gradwanderung.

Text: Friedrich Raphael Curschmann. Der Autor ist DJ und Produzent in Berlin. Friedrich Raphael Curschman absolvierte ein Studium der Museologie an der HTW Berlin und macht Architekturcollagen aus Architekturmagazinen. Seine Kollagen sind bis Ende August im ARCH+ im Studio zu besichtigen.

Titelbild: Das Berghain ist nur einer von vielen Clubs, der gegen die Insolvenz kämpft. Ihr Konzept: der Club als Ausstellungsort. Foto: privat
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