Junge Ideen für alte Industrieanlagen
Die besten Bauwerke aus Backstein zeichnet der „Fritz-Höger-Preis“ alle drei Jahre aus. 2020 wurde der von der Initiative Bauen mit Backstein ausgelobte Award, der zu den größten deutschen Architekturpreisen zählt, zum fünften Mal ausgelobt. Namensgeber ist des Preises ist Fritz Höger: Der deutsche Baumeister und Architekt, einer der führenden Vertreter des norddeutschen Backsteinexpressionismus, schrieb mit der Errichtung des seines berühmten Chilehauses (1921–1924) in Hamburg Baugeschichte.
Prämiert werden Bauwerke, deren Realisierung ökonomische, ökologische und gestalterische Aspekte in sich vereint und das Potenzial des Baustoffes Backstein nutzt. Im Rahmen des „Fritz-Höger-Preises“ wurde bereits zum dritten Mal der „Newcomer“-Award an Projekte von Studierenden, Absolventen und Nachwuchsarchitekten vergeben, deren Hochschulabschluss nicht länger als vier Jahre zurückliegt. Das Besondere: An der Teilnahme in dieser Kategorie waren nicht nur realisierte Backstein-Bauten zulassen, sondern auch Konzepte, Projektideen und Entwürfe. Entscheidend bei der Darstellung ist, dass sich die Einreichung mit der Rolle des Backsteins im Gesamtkontext aber auch mit dem Material selbst auseinandersetzt, um das Potenzial des traditionellen Baustoffs zu nutzen.
„Mit der Auslobung des Newcomer-Awards möchten wir der neuesten Generation von Architekt*innen ein Forum bieten, ihre Projekte und Ideen rund um das Thema Backstein-Architektur zu präsentieren“, erklärt Ernst Buchow, Vorsitzender der Initiative Bauen mit Backstein. Nick Chadde – 2017 holte er den „Newcomer“-Award des Fritz-Höger-Preises für Backstein-Architektur – saß 2020 selbst in der Jury für die Kategorie „Newcomer“ neben Benedikt Hotze (Pressereferent BDA, Berlin) und Ute Strimmer (Editor in Chief NXT A / Editorial Manager RESTAURO, München).
Von 56 eingereichten Nachwuchs-Projekten kamen es 19 auf die Shortlist. Einen Nachmittag lang im September 2020 wurden die Einreichungen im DAZ Deutschen Architektur Zentrum (Berlin) gesichtet, abgewägt und diskutiert. Beeindruckend war die Vielfalt der Projekte. Im Rennen um den Award waren schließlich neben kreativen Entwürfen auch theoretische Publikationen und realisierte Projekte. Vergeben wurden Awards in Gold und Silber sowie erstmals in Bronze.
Die Gewinner
Winner Gold Newcomer
Franziska Käuferle und Sina Pauline Riedlinger gewinnen Gold für ihr Projekt „Fabrik für Baukeramik in der Oberhavel“. Die beiden Studierenden entwarfen für ihre gemeinsame Masterarbeit den fiktiven Firmensitz eines Keramikbetriebes und setzten sich ausführlich mit dem Herstellungsprozess und der Ornamenthaftigkeit des Materials Ton auseinander. Den Ort für ihren Entwurf, Velten – eine traditionsreiche Ofenstadt – wählten sie dabei ganz bewusst. Eine äußerst durchdachte Abhandlung über die historische Umgebung und ihre Verbindung zur lokalen Tonherstellung, für die Käuferle und Riedlinger mit der höchsten Auszeichnung des Newcomer-Awards belohnt wurden.
(Statement der Jury)
Winner Silber Newcomer
Beim Gewinnerprojekt „Umnutzung, Scheune zu Wirtschaftsvilla“ von Johanna Köhnlein überzeugte gleichermaßen die Idee wie auch die außergewöhnliche Darstellung. Köhnleins atmosphärische Aquarell-Zeichnungen verdeutlichen eindrucksvoll ihre Vision, die alte Scheune auf dem Grundstück ihrer Großeltern in einem Kieler Vorort mit neuen Erinnerungen zu befüllen. Als Wirtschaftsvilla soll diese ein zweites Leben eingehaucht bekommen und dabei die alte Backstein-Fassade weitestgehend erhalten bleiben: Neben der Nutzung als Mehrgenerationenhaus können dort nun vor allem die landwirtschaftlichen Produkte aus dem eigenen, großen Garten verarbeitet und verkauft werden.
(Statement der Jury)
Winner Bronze Newcomer
Mit der „WERKSTADT – Alte Textilfabrik Berga“ interpretieren Pascal Schettki und Andreas Mischke die alte Textilfabrik „Ernst Engländer“ als neuen, lebendigen öffentlichen Raum der Stadt Berga – und bekommen dafür Bronze. In einem besonderen Gebäude-Ensemble, geprägt von den Ziehharmonikaöffnungsflügeln, denken sie Denkmalpflege weiter und schaffen Raum für kreative Werkstätten, Seminarräume, Läden, eine Gärtnerei und Übernachtungsmöglichkeiten.
(Statement der Jury)
Special Mention
Besondere Erwähnung verdienen zwei weitere Projekte, von der Jury mit einer Special Mention ausgezeichnet. Das aus recycelten Ziegeln gebaute „Pfirsichhaus“ von Frederic Schnee setzt sich intensiv mit dem Traditionsreichtum des Landhauses im ländlichen Raum Chinas auseinander. Überraschendes und Lehrreiches bietet die theoretische Arbeit „Pathos Backstein“ von David Jan Wilk. In seiner historischen Auseinandersetzung mit dem Baustoff appelliert er daran, die Fülle an Potenzialen des Backsteins neu zu erkennen und zu nutzen.
Text: Ute Strimmer