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Architecture
05. Mai 2021

Ist aller Anfang steinig?

Der „Fritz-Höger-Preis“ zeichnet alle drei Jahre die besten Bauwerke aus Backstein aus. In der Kategorie „Newcomer“ wurden Awards in Gold und Silber sowie erstmals in Bronze vergeben. NXT A stellt sie euch vor

Die besten Bauwerke aus Backstein zeichnet der „Fritz-Höger-Preis“ alle drei Jahre aus. 2020 wurde der von der Initiative Bauen mit Backstein ausgelobte Award, der zu den größten deutschen Architekturpreisen zählt, zum fünften Mal ausgelobt. Namensgeber des Preises ist Fritz Höger: Der deutsche Baumeister und Architekt, einer der führenden Vertreter des norddeutschen Backsteinexpressionismus, schrieb mit der Errichtung seines berühmten Chilehauses (1921–1924) in Hamburg Baugeschichte.

Prämiert werden Bauwerke, deren Realisierung ökonomische, ökologische und gestalterische Aspekte in sich vereint und das Potenzial des Baustoffs Backstein nutzt. Im Rahmen des Fritz- Höger-Preises wurde nun auch bereits zum dritten Mal der „Newcomer-Award“ an Projekte von Studierenden, Absolvent*innen und Nachwuchsarchitekt*innen vergeben, deren Hochschulabschluss nicht länger als vier Jahre zurückliegt. Das Besondere: An der Teilnahme in dieser Kategorie waren nicht nur realisierte Backstein-Bauten zugelassen, sondern auch Konzepte, Projektideen und Entwürfe.

Entscheidend bei der Darstellung ist, dass sich die Einreichung mit der Rolle des Backsteins im Gesamtkontext, aber auch mit dem Material selbst auseinandersetzt, um das Potenzial des traditionellen Baustoffs zu nutzen. „Mit der Auslobung des Newcomer-Awards möchten wir der neuesten Generation von Architekten und Architektinnen ein Forum bieten, ihre Projekte und Ideen rund um das Thema Backstein-Architektur zu präsentieren“, erklärt Ernst Buchow, Vorsitzender der Initiative Bauen mit Backstein.

So hatte etwa Nick Chadde 2017 selbst den Newcomer-Award geholt und saß nun 2020 in der Jury für die Kategorie „Newcomer“. Von 56 eingereichten Nachwuchs-Projekten schafften es 19 auf die Shortlist. Einen Nachmittag lang im September 2020 wurden die Einreichungen im Deutschen Architektur-Zentrum, DAZ, in Berlin gesichtet und diskutiert. Beeindruckend war die Vielfalt der Ideen. Im Rennen um den Award waren schließlich neben kreativen Entwürfen auch theoretische Publikationen und realisierte Projekte – vergeben wurden Awards in Gold und Silber sowie erstmals in Bronze.

Bronze gewann Andeas Mischke und Pascal Schettki:

Die ehemalige Textilfabrik „Ernst Engländer“ in der Berga, zwanzig Kilometer südöstlich von Gera gelegen, prägt seit Jahrzehnten das Stadtbild. Von der im 19. Jahrhundert entstandenen Anlage haben sich das massiv aus Ziegelsteinen gebaute Verwaltungsgebäude aus den 1920er-Jahren erhalten ebenso wie ein Heizhaus aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die 1899 errichtete Sheddachhalle aus Backstein stellt ein überregional bedeutendes Denkmal der Entwicklung der Textil- und Seidenweberei in Thüringen dar.

2011 wurde die historische Anlage zwangsversteigert; seitdem setzt sich man sich für den Erhalt ein. Der Entwurf von Andreas Mischke und Pascal Schettki, Absolventen der Bauhaus-Universität Weimar, lässt die alte Textilfabrik wieder zu einem Teil von Berga werden, indem sie diese als lebendigen öffentlichen Raum der Stadt interpretieren. Den Bestand ordnen die Architekten neu und ergänzen ihn – ein Ensemble aus drei Komplexen entsteht.

Das Areal funktioniert als Quartier: ein Zusammenspiel aus Orten der Gemeinschaft, des Arbeitens, des Denkens und des Wohnens. Dabei lässt das Konzept der Architekten nicht nur eine, sondern verschiedenste Nutzungen zu. Die vorhandene Baustruktur der Sheddachhalle erhält durch den Schnitt über die gesamte Hallenlänge eine Straße und damit eine neue räumliche Organisation und Parzellierung. Die Transformation ermöglicht eine sehr flexible Nutzung, zum Beispiel als Werkstatt, Parkplatz, Laden oder Gärtnerei. Das Bindeglied zwischen den beiden Bestandsbauten bildet ein Solitär.

Als prägnantestes und öffentlichstes Gebäude mit Café, Seminarräumen und Übernachtungsmöglichkeiten soll er schon von Weitem das neue Quartier markieren. Verbaut werden Materialien wie gebrannter Stein und rohes Holz. Die Baukörper wirken daher von Ferne wie ein Ensemble, bei näherer Betrachtung lassen sich jedoch Altes und Neues genau ausmachen. Mit der Revitalisierung und Umwidmung des Industriedenkmals in ein modernes kreatives Quartier denken Andreas Mischke und Pascal Schettki Denkmalpflege weiter und setzen mit ihrer „Werkstadt“ ein städtebauliches Zeichen.

Text: Ute Strimmer

Industriedenkmal in der „Werkstadt“: die erhaltenswerte Sheddachhalle. Foto: Pascal Schettki/Andreas Mischke
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