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Longlife Learning
12. Februar 2020

Haben ArchitektInnen ein Idealismus-Gen?

Beim Neigungsstudium Architektur ist Leidenschaft Voraussetzung. Viel wird den Studierenden abverlangt, und auch nach dem erfolgreichen Abschluss im Job braucht man Durchhaltevermögen - und Hingabe. Teil drei der NXT A-Kolumne von Simone von Schönfeldt

In der vergangenen Woche war ich bei den #butterbrotGESPRÄCHE(n), einer neuen Veranstaltungsreihe, organisiert von zwei ArchitektInnen. Laura Katharina Strähle erzählte dort über ihren beeindruckenden beruflichen Werdegang mit Stationen unter anderem in München, Delft, Prag und Berlin. Die Masterarbeit, die sie gemeinsam mit einer Freundin durchboxte, ist ein absolutes Herzensprojekt: eine Pavillonstruktur, welche die beiden gemeinsam im kenianischen Okana bauten.

Gegen die Vernunft und verschiedenste Widerstände wurde hier nicht einfach eine Abschlussarbeit geschrieben bzw. entworfen – was bei ArchitektInnen ja nicht ungewöhnlich ist. Es wurde eine Projektentwicklung gemacht, es wurde entworfen und gebaut. Noch immer erfordert das Projekt eine recht intensive Nachbetreuung, um es nachhaltig erfolgreich zu machen. Absolut bewundernswert.

Gleichzeitig beschlichen mich gleich mehrere blöde Gefühle: Einerseits fragte ich mich, warum die Uni so großartige Projekte und so engagierte StudentInnen nicht viel mehr unterstützt – sowohl mental als auch finanziell. Ja, ich weiß, woher soll das Geld kommen? Vielleicht könnte man über Stipendien für besonders ambitionierte Abschlussarbeiten nachdenken, Drittmittel für „Design & Build“-Projekte an Universitäten einwerben …

Und ich dachte auch: Wie viele geniale Ideen scheitern wohl schlicht daran, dass keine finanzielle Unterstützung durch die Familie möglich ist.
Andererseits überlegte ich, warum ProfessorInnen zulassen, dass sich junge Leute mit der Abschlussarbeit so unfassbar übernehmen, sich verschulden? Ist es nicht auch die Aufgabe der Betreuer von Masterarbeiten, dafür zu sorgen, dass eine in der vorgegebenen Zeit machbare Aufgabenstellung definiert wird, die auch den Maßstäben eines vernünftigen Zeitmanagements genügt?

ArchitektInnen lernen während ihrer Studienzeit, dass es immer ein „noch besser“ gibt, dass Entwürfe immer optimiert werden können, dass man dafür brennt und selbstverständlich auch nachts und am Wochenende arbeitet. Widerspricht aber dem gesunden Menschenverstand. Und was würde wohl der Europäische Gerichtshof dazu sagen, der darauf pocht, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie eingehalten wird? Zeiterfassung ist Pflicht – gilt das eigentlich auch für StudentInnen?

Meine Nicht-Architekten-Freundin, mit der ich an besagtem Abend unterwegs war, zeigte sich ebenfalls begeistert vom Projekt und fragte mich auf dem Heimweg: Warum macht Ihr Architekten sowas? Warum dieser Idealismus? Warum arbeitet Ihr viel zu viel und lasst Euch das nicht oder aber zu schlecht bezahlen? Aus Liebe zum Projekt? Weil Zeiterfassung unsexy ist? Weil man gar keine Aufträge bekommt, wenn man vernünftig kalkuliert?

Ich habe darauf irgendwie keine Antworten oder ganz viele. Ich liebe meine Projekte, da schaue ich nicht auf die Zeit. Was zu tun ist, wird erledigt: zuverlässig, pünktlich und in bester Qualität. Aber ich liebe auch andere Dinge – für die ich, wenn ich ehrlich bin,  regelmäßig zu wenig Zeit habe.

Wie macht Ihr das denn: Dienst nach Vorschrift oder auch mal Durchziehen, wenn die Abgabe ansteht? Und wie werden Eure Überstunden wertgeschätzt? Ich habe seit neuestem übrigens eine Zeiterfassungs-App. Mal sehen, was ich über meine Work-Life-Balance lernen werde. Seid gespannt, ich berichte!

Bis in zwei Wochen,

Eure Simone von Schönfeldt

Simone von Schönfeldt ist Architektin, Organisationsberaterin, Baufachjournalistin, Mitgründerin von arbeiten übermorgen – Weiterbildung & Weiterentwicklung für ArchitektInnen.

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Titelbild: Mit ihrer Kolumne für NXT A hält Simone von Schönfeldt Euch alle zwei Wochen auf dem Laufenden.
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