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Architecture
09. November 2020

Grünes Bauen für ein besseres Stadtklima

Bauen mit Grün ist besonders wichtig für ein besseres Stadtklima. Die Architekten Ferdinand Ludwig und Daniel Schönle entwickeln baubotanische Projekte auf unterschiedlichen Maßstabsebenen und machen das Potenzial von Bäumen in Architektur, Stadtentwicklung und Freiraumplanung sichtbar

In Deutschlands Städten wird es im Sommer längst viel wärmer als im Umland. Grünes Bauen soll helfen und das Klima in den Städten verbessern. Wie man zum Beispiel mit Bäumen baut, zeigt der sogenannte „Platanenkubus“ in Nagold, der 2012 im Rahmen der Landesgartenschau von den Architekten Professor Ferdinand Ludwig und Diplom-Ingenieur Daniel Schönle von Ludwig.Schönle in Stuttgart, realisiert wurde. Das Projekt ist als langfristig baubotanisch-städtebauliches Experiment angelegt.

Ein quadratischer Turm mit begehbaren Etagen, der bis in den Herbst hinter einer grünen Wand aus 800 jungen Platanen verschwindet. Ein Teil der Bäume wächst in Pflanzenkisten, die an der Stahlkonstruktion hängen. Architekt Daniel Schönle hofft, „dass man in Zukunft, vielleicht in zehn oder sogar in fünf Jahren in einen geschlossenen Raum hereingeht, der natürlich sehr viel Schatten und Kühle im Sommer und damit auch einen grünen Innenraum erzeugt.“ Die Nutzung sei nicht festgelegt. Doch zu Gartenschau-Zeiten sei es ein sehr gut angenommener grüner Raum gewesen. „Vor allem an den heißen Tagen wurde der Platanenkubus sehr häufig frequentiert und diente zudem als Aussichtsplattform.“

Mit seinem Partner Ferdinand Ludwig hat er das Projekt entwickelt. Ludwig forschte erst in Stuttgart, jetzt an der TU München. Seine Methode: Er nutzt das baubotanische Verfahren der Pflanzenaddition, bei dem junge Pflanzen über- und nebeneinander im Raum angeordnet und durch Stahlschrauben, die die Platanenzweige zusammenhalten und hinterher einwachsen, miteinander verbunden werden. Die Äste bilden dann eine Art Fachwerkstruktur, die am Ende die Stahlplattformen tragen kann. Die untersten Bäume wurzeln dabei direkt im Boden.

Sobald die Pflanzen miteinander verwachsen sind, fällt die künstliche Bewässerung komplett weg. Wenn im weiteren Verlauf der Entwicklung die Pflanzenstruktur dick und stabil genug geworden ist, sollen auch die temporären Stützen entfernt werden, so dass die primär tragende Konstruktion aus lebendem Holz besteht. Ferdinand Ludwig erklärt: „Der Pflanzenkubus ist ein Versuchsbauwerk. Der Würfel leitet sich aus einer ganz einfachen Überlegung ab: Die Pflanze macht sehr viel – sie treibt aus, sie wächst und sie verwildert regelrecht. Wenn man dann einen Würfel oder eine extrem einfache geometrische Form nimmt, kann man diese Verwachsungs- und Wachstumsprozesse sehr gut ablesen. So hat sich das quasi entwurflich zu diesem Würfel entwickelt.“

Das Mikroklima ist an heißen Tagen um den Platanenkubus herum wesentlich erträglicher. Der Vorteil ist, dass lebende Bauten sehr platzsparend in die Höhe wachsen. Im Gegensatz zu begrünten Fassaden, spenden sie im städtischen Raum auch Schatten. Aufgrund der langen Wachstumszeiten trauen sich private Bauherren und Bauträger jedoch erst langsam an diese Thematik heran. Doch das hält die beiden Architekten nicht davon ab, unterdessen weiter zu forschen. Sie wollen Container begrünen, in denen die Arbeiter der Baustelle Stuttgart 21 wohnen. Dabei sollen die Abwässer der Bewohner genutzt werden.

Daniel Schönle fragt sich: „Ist es möglich? Wenn ja, in welchem Umfang ist es möglich? Und welche Qualitäten erzeugt es, wenn ich das Wasser, das an Ort und Stelle anfällt und zwar dauerhaft anfällt, in Form von Grauwasser direkt nutze, um dort ein Grünprojekt zu schaffen.“ Das Grauwasser durchläuft einen Bodenfilter mit Substrat und Kies. Danach soll es sauber genug für die Bewässerung der Pflanzen sein. An heißen Sommertagen wäre das ein Segen für Bäume und Schlingpflanzen, die an Gebäuden hochwachsen. Doch genau wie dieser Versuch, befinden sich die meisten Projekte noch im Forschungsstadium.

Die Projekte benötigen aufwendige Pflege und sind relativ kostspielig. Viele Städte finanzieren jedoch zunehmend solche Experimente und ermöglichen somit mehr Natur in der Stadt. Daniel Schönle: „Wir haben jetzt eine große Chance. Wir sind an einem Punkt, an dem wir sehr viel verändern können. Und ich glaube, dass das Thema, Stadtlandschaften neu zu denken und auch die Verschmelzung von ökologischen und urbanen Qualitäten voran zu treiben, eine ganz wichtige Zukunftsaufgabe ist, die uns sehr viele Chancen in der Stadtentwicklung ermöglich.“

Text: Valentina Grossmann

Der Platanenkubus in Nagold wurde 2012 im Rahmen der Landesgartenschau von den Architekten Professor Doktor Ferdinand Ludwig und Diplom-Ingenieur Daniel Schönle von Ludwig.Schönle (Stuttgart) realisiert. Foto: Ludwig.Schönle
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