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Sustainability
09. Juli 2020

Fading Flamingos

Der deutsche Fotograf Maximilian Mann hat in seiner Fotoserie „Fading Flamingos“ eindrückliche und nahezu poetische Bilder des Verschwindens und der Transformation einer Landschaft gefunden: Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit ereignet sich im Nordwesten des Irans eine Umweltkatastrophe: Der Urmia-See, einst der größte permanente Hypersaline-See der Welt, trocknet aus. Das größte Binnengewässer Irans wurde 1971 von der Ramsar-Konvention als Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung erklärt, 1976 zum UNESCO Biosphärenreservat

Dort, wo vor zehn Jahren die Wellen gegen die Mauern der Dörfer schwappten, blickt man heute auf eine schier endlose Salzwüste. Schiffe, die einst Menschen von einem Ufer des Sees an das andere brachten, liegen wie gestrandete Wale am Ufer. Salzwinde aus der Wüste breiten sich über die Felder der Bewohner aus und lassen die Ernten vertrocknen. Ihrer Lebensgrundlagen beraubt, fliehen die Menschen in die umliegenden Städte – die Dörfer rund um den Urmia-See sterben aus.

Ein Ort in der Nähe des Urmia Sees, der – wenn die Umweltkatastrophe nicht gestoppt wird – keine Einwohner mehr haben wird. Foto: Maximilian Mann

Noch in den 1990er Jahren war der See etwa doppelt so groß wie ganz Luxemburg. Dürreperioden und steigende Sommertemperaturen beschleunigten die Verdunstung. Darüber hinaus wurden tausende illegale Brunnen gebaut und zusammen mit einer Vielzahl von Dämmen und Bewässerungsprojekten entlang der Zuflüsse des Sees das Wasser auf landwirtschaftlich genutzte Flächen umgeleitet. Untersuchungen aus dem Jahr 2014 ergaben, dass sich die Fläche des Urmia Sees seit den 1970er Jahren um 88 Prozent verkleinert hat. Wissenschaftler und Umweltschützer beklagen insbesondere den negativen Effekt des Dammbaus – 2008 etwa hat man einen 15 Kilometer langen Damm für den Autoverkehr errichtet, der den See in zwei Teile teilt. Er soll den natürlichen Wasserfluss zwischen den beiden Seeseiten behindern.

Ausgetrocknete Landschaften und Dürre sind die Folgen. Und: Ein Verlust der Biodiversität, denn die Austrocknung beeinträchtigt die Nahrungsquellen für Zugvögel wie etwa Flamingos, die Jahrzehntelang als Symbol des Sees galten. Die Tiere finden durch den hohen Salzgehalt immer weniger Krebse, deren Population ebenso gefährdet ist, und meiden die Region.

Für etwa zweihundert verschiedene Vogelarten ist der See Nahrungsquelle und Heimat zugleich. Sie alle werden ihrer Existenzgrundlage beraubt. So auch die Menschen. Die Zeit drängt. Wenn diese Umweltkatastrophe nicht gestoppt wird, könnten in Zukunft bis zu fünf Millionen Einwohner gezwungen sein, das Gebiet zu verlassen. Das hat mittlerweile auch der iranische Präsident Hassan Rouhani erkannt und hat für zehn Jahre fünf Milliarden US-Dollar für die Wiederbelebung des Urmia Sees zugesagt. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) unterstützt zudem die Einheimischen darin, die Feuchtgebiete um den Urmia See wieder aufzubauen, sie nachhaltiger und ökologischer zu bewirtschaften. Eine weitere Hoffnung für die Rettung des Sees: Durch sintflutartige Regenfälle im April 2019 ist der Pegel des Urmia Sees zuletzt wieder gestiegen. Sogar die ersten Flamingos wurden wieder gesichtet.

Text: Maximilian Mann

 

Weitere Informationen und Bilder findet Ihr hier.

Literatur:

AghaKouchak, A., et al., Aral Sea syndrome desiccates Lake Urmia: Call for action, Journal of Great Lakes Research (2014)

Hassanzadeh, E., Zarghami, M., and Hassanzadeh, Y. 2012. Determining the main factors in declining the Urmia lake level by using system dynamics modeling. Water Resources Management, 26(1): 129–145

www.ir.undp.org/content/iran/en/home/projects/Conservation-of-Iranian-Wetlands-Project-PhaseII-Scale-up.html

www.gis.uni-stuttgart.de/forschung/projekte/urmia/

Normalerweise steht er hinter der Linse – der Fotograf Maximilian Mann. Foto: Johannes Glinka