Erste Retrospektive der Berliner Bildhauerin Louise Stomps
Das menschliche Leid und die schutzlose Kreatur sind für die Berliner Bildhauerin Louise Stomps (1900 – 1988) ein Leben lang Inspiration ihrer künstlerischen Kreativität. Sie stehen im Mittelpunkt ihres Schaffens, das zwischen den ausklingenden 1920er-Jahren und den späten 1980er-Jahren entstanden ist. Fünf Jahrzehnte vollzieht die Bildhauerin den künstlerischen Prozess vom klassischen Körperbild zur stark abstrahierten Figuration; dabei entwickelt sie sukzessive ihren signifikant eigenen Stil.
Louise Stomps hatte zwar seit 1918 intensiv gezeichnet und modelliert, aber erst zehn Jahre später, nach der Scheidung von ihrem Ehemann, hat sie sich als Mutter zweier Töchter ganz der Kunstausübung gewidmet. Von dem verbreiteten Vorurteil, Künstlerinnen seien doch besser im Kunsthandwerk untergebracht, ließ sie sich nicht entmutigen und nahm zwischen 1928 und 1932 am Unterricht in der Abendaktklasse der „Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Künste“ in Berlin teil; darüber hinaus schulte sie sich bei Milly Steger (1881 – 1948) in der Bildhauerinnenklasse des »Vereins der Berliner Künstlerinnen«.
Von ihren Arbeiten der 1930er-Jahre sind infolge von Bombenangriffen auf ihr Atelier während des Zweiten Weltkriegs nur wenige Werke erhalten, so zum Beispiel „Das Paar“ aus Eichenholz (1937), ein Liebespaar in tiefer Verbundenheit nebeneinander kniend noch ganz dem realistischen Menschenbild verhaftet. Diese frühen Ansätze ihrer künstlerischen Bildsprache ließen sich nicht mit der herrschenden Kunstvorstellung im Nationalsozialismus vereinbaren, so dass sie sich in die innere Emigration zurückzog.
Im Oktober 1945 hat Louise Stomps neben Renée Sintenis, Hans Uhlmann, Gustav Seitz, Paul Dierkes und Karl Hartung u.a. an der ersten Ausstellung „Plastik und Bildhauerzeichnung“ in der Galerie Gerd Rosen in Berlin am Kurfürstendamm 215 teilgenommen.
Nach den am eigenen Leib erfahrenen Erschütterungen während des Zweiten Weltkriegs bot die figurale Abstraktion für Louise Stomps wie für viele Kolleginnen und Kollegen den einzigen Weg künstlerischer Formgebung: Ab den 1950er-Jahren entstehen Figuren mit drohenden, abweisenden oder Angst verbreitenden Gebärden wie „Trauernde“ (1951), „Der Fremde“ (1947), „Gemeinsame Klage“ (1948) oder in direkter Anspielung auf die politischen Ereignisse „Hiroshima“ (1960).
Louise Stomps‘ Vorliebe für Holz als Material für ihre „Natur Gestalten“ ist vermutlich durch einen Einschnitt in ihrem Leben ausgelöst worden, als sie 1960 aus Berlin ins bayerische Rechtmehring bei Wasserburg im Inntal eine alte Kumpfmühle aus dem 15. Jahrhundert bezog. Hier lässt sie sich von der Natur als Urquelle alles Lebendigen, von den Hölzern der Buche, Föhre, Eiche, Inn-Eiche, von Apfel, Akazie, Nuss, Birne u.v.m. inspirieren, hier entwickelt sie konsequent ihre Formensprache einer sogenannten figuralen Abstraktion.
In den 1960er-Jahren werden ihre schlanken Figuren, der „Asket“ (1963) oder der „Pilger“ (1966) drei Meter hoch und 1980 entsteht mit 3,20 m „Gilgamesch“, der sich der Sage nach zu einem Drittel menschlich, zu zwei Dritteln göttlich auf die Suche nach der Unsterblichkeit gemacht hat.
Katalog zu Leben und Werk der Bildhauerin Louise Stomps:
Hrsg. von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat für „Das Verborgene Museum“ mit wissenschaftlichen Beiträgen von Yvette Deseyve, Arie Hartog, Annelie Lütgens, Christiane Meister, Christina Thürmer-Rohr, Julia Wallner sowie persönlichen Erinnerungen von Berthold Kogut, Martin Meggle, Peter Schrader und Hans Goswin Stomps; illustriert mit Neuaufnahmen der Skulpturen; Hirmer-Verlag, deutsch/englisch, 224 Seiten,150 Farb-Abb.,
39,90 Euro, gebunden.
Ausstellung und Katalog werden gefördert durch Mittel des Hauptstadtkulturfonds.