Digital planen und konstruieren im Holzbau
In Zürich gibt es seit 1935 die Schweizer Baumuster-Centrale, eine öffentliche Ausstellung von Baumaterialien, prototypischen Konstruktionen und innovativen Technologien. Ende September 2020 wurde dort mit der „Digitalen Urhütte“ die digitale Zimmerei vorgestellt und zwar theoretisch und praktisch.
Schon seit jeher spielt die Vorfabrikation im Holzbau eine wesentliche Rolle. So lässt sich anhand der Entwicklung vom traditionellen Holzabbund über den zeichnerischen Abbund bis zum modernen CNC-Abbund aufzeigen, wie neue Techniken und Technologien im Holzbau Einzug gehalten haben und gleichzeitig das Wissen über Holzverbindungen weiterentwickelt worden ist.
Strehlke erklärte die Fachbegriffe aus dem Zimmermannshandwerk: Versetzer, Zapfen, Überblattungen und Kerben. Ein Stab muss wieder ausgebaut werden, weil sonst der andere keinen Platz mehr fände. Nach rund einer halben Stunde war Richtfest: Das Dach kommt auf die Urhütte. Ohne die digitale Zimmerei, hätte Blumer Lehmann zum Beispiel die Teile für das Tragwerk der Cambridge Mosque (Foto) nicht bauen können.
Wie funktioniert zeitgenössischer Holzbau? Drei Begriffe sind wichtig: Effizienz, Verbindungen, Tradition. Effizienz war für die Teilnehmer ohne weiteres ersichtlich. In gut einer halben Stunde stand die Urhütte. Mit der 3D-Software Rhino hat Strehlke sein didaktisches Modell, die Urhütte, entworfen. Anhand dieses Modells kann er den aktuellen Stand der digitalen Zimmerei erklären. Mit CAD Work wird die Zeichnung für die Produktion übersetzt. „Der BVX-Code tut, was ein Zimmermann schon lange vor der digitalen Zeit getan hat: Er beschreibt jedes Bauteil, das wie seinerzeit das Abbundzeichen eine Nummer erhält“.
Die Daten werden in die Software Cambium exportiert, die die Abbundmaschine Robot Drive von Hundegger steuert, die in der Halle von Blumer Lehmann in Gossau steht. Und dann sägen, fräsen und bohren die Werkzeuge dieser Maschine die Verbindungsteile in die Holzstäbe von 60 mal 60 und 60 mal 80 Zentimeter.
Mit dem Bau der Urhütte stellt sich Kai Strehlke bewusst in die Tradition der Ideen Vitruvs und interpretiert sie neu. Holzbau ist alte Baukunst. Und was ihre Geschichte an Wissen und Erfahrung aufgehäuft hat, ist auch für ihn das Fundament. „Im Prinzip geht es immer darum zu fragen und zu erproben, was können wir wie digitalisieren und wo es automatisieren. Und es ist eindrücklich, wie viel Intelligenz und Wissen nötig sind, um uralte Techniken wie den abgerundeten Zapfen und sein Zapfenloch hinzukriegen. Komplexe Bauten wie die Dachkonstruktionen für die Moschee von Cambridge oder das Tonnendach fürs Kulturhaus von Kleindöttingen sind ohne digitale Zimmerei nicht machbar.“
Einen Live-Mitschnitt der Veranstaltung gibt es hier.
Text: Martin Miersch