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Arts & Culture
16. April 2021

Die Bekannte Unbekannte

Noch bis zum 20. Juni 2021 zeigt das Kunstmuseum Basel in der Ausstellung „Gelebte Abstraktion“ architektonische und künstlerische Arbeiten von Sophie Taeuber-Arp, die neben ihren Tätigkeiten als Künstlerin auch als Architektin stärker wahrgenommen werden sollte

Sophie Taeuber -Arp (*19.1.1889 in Davos + 13.1.1943 in Zürich) entschied sich früh für eine kunsthandwerkliche Ausbildung in St. Gallen und München, wo sie sich auf Textildesign und Holzbildhauerei spezialisierte. Gerade Handarbeiten erhielten damals eine neue Bedeutung als Kontrast zur industriellen Produktion, die überall vorherrschend war.

Im Jahr 1914 zog sie dann nach Zürich und lernte den Ausdruckstanz, durch den sie später auch maßgeblich mit ihrem späteren Ehemann Hans Arp in der Dada Bewegung aktiv war. Sie nahm mit ihren kunsthandwerklichen Arbeiten an vielen Ausstellungen in dieser Zeit teil. Mitte der 1920er Jahre nahmen sie und ihr Mann die französische Staatsbürgerschaft an und Sophie Taeuber-Arp hielt sich viel in Strassburg auf, wo sie viele Aufträge zur Gestaltung von Innenräumen erhielt. Anfang der 1930er Jahre zog sie dann nach Paris, von wo sie und ihr Mann im Jahr 1940 vor den Nationalsozialisten nach Südfrankreich flüchteten. 1943 mussten sie nach Zürich flüchten, wo Sophie Taeuber-Arp jedoch kurze Zeit später tragisch im Haus von Max Bill an einer Kohlenmonoxidvergiftung starb.

Dadurch, dass Sophie Taeuber-Arp ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Schweiz hatte, sollten sie und ihre Werke besonders dort, als auch in den Nachbarländern, eigentlich gut bekannt sein. Jedoch scheint sie eher im Schatten ihres Mannes zu stehen, dem deutsch-französischen Multitalent, der den Dadaismus als literarische und künstlerische Antwort auf den ersten Weltkrieg 1916 mitbegründet hat und maßgeblich prägte.

Diesen Umstand hat das Kunstmuseum Basel nun in seiner aktuellen Ausstellung, die in das MoMa und die Tate Modern weiterwandern soll, aufgenommen und zeigt dabei die vielen Facetten des Oeuvres von Sophie Taeuber Arp, deren Arbeit interdisziplinär Kunst und Handwerk sowie Architektur verband.

Während ihr Mann nach der Heirat 1922 weiterhin unter seinem Namen tätig war, galt für Sophie ab ihrem Hochzeitstag, dass Sie nicht mehr als Sophie Taeuber arbeiten konnte, sondern als Sophie Taueber-Arp oder Arp-Taueber, wie sie es bis Anfang der 1930er Jahre tat und damit immer ihren Mann mitnennen musste, während er seine Eigenständigkeit bewahrte. Es scheint dabei fast zynisch, dass gerade in der Fondation Beyeler in Riehen eine große Hans Arp Ausstellung präsentiert wird – so als wenn die Arbeiten von Sophie Taeuber-Arp selbst posthum nur in Begleitung ihres Gatten ausgestellt werden könnten.

Vielleicht auch aus diesem Grund wollten die Kuratorinnen der Ausstellung die Werke für sich selbst sprechen lassen, denn ihr Oeuvre lebt von einer singulären Verbindung aus Kunsthandwerk und der avantgardistischen Experimentierfreude aus den entsprechenden Kreisen, in denen sie in Zürich und Paris verkehrte.

Anstatt damals revolutionären Ideen der Abstraktion einem geistigen Bereich zuzuordnen, wie es viele andere taten, gestaltete sie Alltagsgegenstände: Kissen, Tischdecken, Taschen, Möbel und ganze Inneneinrichtungen, wie im  Straßburger Cafè Aubette, welches auch die „sixtinische Kapelle der Moderne“ genannt wird.

Die Ausstellung zeigt in insgesamt neun Sälen im von Christ und Gantenbein konzipierten Erweiterungsbaus chronologisch aufgebaut das umfangreiche Werk Taeuber-Arps. Auffällig ist dabei, dass sich regelmäßig grau-schwarze Farbflächen über den Boden und die Wände ziehen – vielleicht auch ein Hinweis auf ihre architektonischen Projekte, bei denen Farbflächen von großer Wichtigkeit waren.

Es wird deutlich, in welchen Maßstäben, Dimensionen und Medien Taeuber-Arp arbeitete, angefangen von den kleinen Glasperlenbeuteln und Halsketten, die man im ersten Raum sehen kann und die einen Eindruck über die kunstgewerblichen Objekte, die sie herstellte und verkaufte, bis hin zu ihrem Entwurf für das Atelier- und Wohnhaus, wo sie und ihr Mann in der Nähe von Paris wohnten, schafften. In diesem Haus befindet sich heute die Stiftung Arp, die den Nachlass von ihrem Mann und ihr verwaltet – ohne jedoch dass sie im Stiftungsnamen genannt wird.

Ein Höhepunkt der Ausstellung findet sich im zweiten Raum, und zwar das originale Marionetten Set, das Tauber Arp für das adaptierte Commedia-dell’arte Stück „König Hirsch“ schuf, welches aufgrund der Grippe Pandemie 1918 nur dreimal aufgeführt wurde, aber bis heute für Kreative eine Inspiration bildet – so hat etwa 2015 Karl Lagerfeld mit den Marionetten eine Kollektion fotografiert.

In den folgenden Räumen werden Werke aus der Zeit der Lehrtätigkeit an der Züricher Gewerbeschule und ihren textilen Arbeiten sowie Gouachen gezeigt, bis im fünften und sechsten Raum, dem eigentlichen Herzstück der Ausstellung, ihre architektonischen Entwürfe gezeigt werden und anhand von großformatigen historischen Aufnahmen und zahlreichen Entwürfen für den Betrachter nachvollziehbar werden.

Hier kommt der Anspruch der Avantgarde, alle Lebensbereiche zu modernisieren, welcher alle Designer*innen, Künstler*innen und Architekt*innen dieser Strömung einte, zur Geltung: Sophie war selbst in den einzelnen Disziplinen vernetzt und dazu auch aktiv, sodass sich in ihren Entwürfen auch die Nähe von Kunst und Leben zeigt.

Explizit wird zwar nur in zwei Räumen auf das architektonische Schaffen von Sophie Taueber-Arp eingegangen, aber es können alle Räume auch unter einem Architekturaspekt betrachtet werden, denn auch aus ihren Textilarbeiten, Zeichnungen und Malereien wird eine stetige Auseinandersetzung mit Raum und Komposition und der Farbwirkung deutlich.

Die Ausstellung ist eine Retrospektive mit über 250 Werken und hat den Anspruch, Sophie Taueber-Arp als eine der großen Avantgardist*innen der klassischen Moderne zu etablieren und auch einem internationalen Publikum bekannter zu machen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 20. Juni 2021 im Kunstmuseum Basel zu sehen. Begleitend ist ein Ausstellungskatalog auf deutsch und englisch erschienen.

Text: Mandana Bender

Die Ausstellung „Gelebte Abstraktion“ im Kunstmuseum Basel zeigt architektonische und künstlerische Arbeiten der Schweizer Malerin, Bildhauerin, Textil-Gestalterin und Architektin Sophie Taeuber-Arp. Foto: Stiftung Arp e.V., Berlin/ Nic Aluf
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