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Architecture
30. April 2021

Bauten in Subsahara-Afrika

Das Architektenehepaar Natascha und Philipp Meuser haben ein Architekturbuch verfasst, das in diesem Jahr eine der ambitioniertesten Publikationen auf dem Sachbuchmarkt darstellt: einen siebenbändigen Führer zu Bauten in Subsahara-Afrika

Sie gehören zu den Höhepunkten afrikanischer Architektur und sind doch bei uns nahezu unbekannt: Die große Moschee in Djenne in Mali, das Wohnhaus „Le Champignon“ in Burundi oder der Lideta Markt in Addis Abeba. Das Architektenehepaar Natascha und Philipp Meuser will das ändern. Gemeinsam haben sie ein Architekturbuch verfasst, das eine der ambitioniertesten Publikationen auf dem Sachbuchmarkt in diesem Jahr darstellt.

In sieben Bänden werden auf 3400 Seiten von 350 Autor:innen aus aller Welt rund 850 herausragende Gebäude und Bauprojekte in den 49 Ländern von Subsahara-Afrika vorgestellt. Im Pressetext wird sogar das Gewicht des Konvoluts angegeben (acht Kilo, für jedes sind 18,50 Euro zu zahlen). Bei dem gerade erschienenen Architekturführer des Berliner Verlages Dom Publishers handelt es sich um eine Pioniertat. Es ist die Entdeckungsreise durch einen bemerkenswert unerforschten Kontinent: So systematisch hat noch niemand wichtige Bauten zwischen Sahara und Kapstadt erfasst und beschrieben. Und sich außerdem darum bemüht, in Übersichtsartikeln die Einzelbefunde zu einer Gesamtschau von Geschichte und Theorie afrikanischer Architektur zusammenzuführen.

Obwohl die beiden ständig auf Reisen sind, betreiben sie seit 15 Jahren den Berliner Architekturfachverlag Dom publishers. Sie stecken viel Zeit und Energie in die optische und inhaltliche Qualität der Bücher. Die Aufgaben der beiden sind klar verteilt: Natascha Meuser, Professorin an der Hochschule Anhalt in Dessau, beschreibt es so: „Ich mache mir Gedanken um Risse im Estrich auf der Baustelle, während mein Mann über neue Städtebauideen philosophiert.“ Und während sie eher aus dem Bauch heraus entwerfe, sei er dafür zuständig, die Dinge nachträglich zu durchdenken.

Mit dem Schreiben und dem Nachdenken über Architektur hat er es jedenfalls von Anfang an gehabt: Während die Kommilitonen in Architekturbüros jobbten, machte er Praktika bei Zeitungen. Und während er schon arbeitete, sattelte er ein Studium der Architekturgeschichte und -theorie obendrauf. Philipp Meuser führten ein Reisestipendium und erste Aufträge als Architekt nach Zentralasien. Dort hat er das Selbstbewusstsein entwickelt, sich in fremder Umgebung behaupten zu können. „Es gibt bei uns kein Zögern, wenn es darum geht, ein Planungsprojekt im Ausland zu machen.“

Das Subsahara-Projekt ist das Opus Magnum des Verlags, der im Jahr 2005 gegründet worden ist. Dom Publishers ist inzwischen der Primus unter den Kleinverlagen, die hierzulande für interessante Neuerscheinungen zu Architekturthemen sorgen. Es ist mehr als verdient, dass die Leistungen von Dom Publishers im vergangenen Jahr durch einen der mit 60.000 Euro prämierten Hauptpreise des Deutschen Verlagspreises ausgezeichnet wurden; ein Teil der Summe floss übrigens in das Subsahara-Projekt, das wegen der Auswirkungen der Pandemie ins Stocken geraten war.

Nischenthemen können die Aufmerksamkeit durch Buchpreise besonders gut gebrauchen.  Durch den Deutschen Verlagspreis konnte der “Architectural Guide Sub-Saharan Africa” nun doch noch erscheinen. Die Mitarbeiter:innen des Verlages teilen sich die Räumlichkeiten mit jenen des Architekturbüros (wenn nicht alle, wie derzeit, im Home Office sitzen). Wo die Wege kurz sind, sind die Rollen fließend: Lektor:innen redigieren Baustellenberichte und Erläuterungstexte zu Wettbewerbsbeiträgen und Architekt:innen schauen die Manuskripte auf Fehler bei der Beschreibung von bautechnischen Details durch. Zwölf Mitarbeiter:innen sind es derzeit insgesamt.

Mit einem Projekt für das Auswärtige Amt in Zentralasien begann eine Spezialisierung des Büros auf Sicherheitsarchitektur. Später kamen Aufträge in Afrika hinzu, zeitweise waren Meuser-Architekten für fünf Außenministerien gleichzeitig tätig. Die Doppeltätigkeit als Architekt:in und Verleger:in hat den Subsahara-Architekturführer auch finanziell überhaupt erst möglich gemacht. Während der Reisen zu den Baustellen ließ sich ein Netzwerk von Autor:innen aufbauen und pflegen. Das hat nicht nur Meuser und seinem gemeinsam mit Adil Dalbai geleiteten Buchprojekt genutzt, sondern auch zu neuen Verbindungen zwischen den Akteur:innen in Afrika geführt. Und es hat deren Selbstbewusstsein gestärkt: Philipp Meuser berichtet, dass der Kurator des Kapitels zu Liberia Tränen des Stolzes in den Augen hatte, weil er als einer ersten Autoren überhaupt die Architektur seines Landes einer internationalen Leserschaft präsentieren kann.

Natascha und Philipp Meuser veröffentlichten jährlich etwa 50 Neuerscheinungen zu den Themen Architektur und Design. Der Verlag ist international aktiv: Die Bücher mit weltweitem Vertrieb erscheinen vor allem in deutscher und englischer Sprache. Das Büro Meuser Architekten GmbH dagegen ist spezialisiert auf die Planung und Projektsteuerung von so genannten sondergeschützten Bauten im In- und Ausland (etwa Dienstsitze für die internationale Zusammenarbeit). Die Verlagsräume grenzen direkt an das Architekturbüro in Berlin-Mitte an – die dort beschäftigten Architekt:innen gehören damit zu den ersten kritischen Leser:innen der Bücher.

Das Programm überzeugt vor allem durch die praxisbezogenen Architekturhandbücher und Monografien zur internationalen Architekturgeschichte – und durch die Reihe mit Architekturführern (inzwischen mehr als 100 Bände durch Städte auf der ganzen Welt). Mit Blick auf die Leserschaft des Architekturführers zum Subsahara-Afrika setzen die Meusers auf die afrikanische Community auf der ganzen Welt. Zwar machen auch sie die Erfahrung, dass es immer schwieriger wird, Käufer für hochwertige Bücher zu finden. Doch gibt es immer wieder Überraschungserfolge, etwa den Führer zu Nordkorea. „Die Leute sind offen für exotische Themen“, sagt Natascha Meuser. Die internationale Ausrichtung des Verlags hilft auch hier: Einzelne Titel erscheinen in russischer, französischer oder spanischer Sprache, wenn nur bestimmte Märkte Absatzchancen versprechen.

Geld in die Kasse kommt am ehesten durch die Reihe von Handbüchern von Architekt:innen für Architekt:innen. Sie bieten ganz praktische Handreichungen für spezielle Gebäudegattungen, etwa zum Bau von Kindergärten, Schulen, Zoologischen Gärten und Krankenhäusern, und zwar in allgemeinverständlicher Sprache. Ein Longseller ist der Band zu Parkhäusern, weil er der einzige weltweit ist, der sich so ausführlich mit dieser speziellen Gebäudegattung beschäftigt.

Text: Martin Miersch

Natascha und Philipp Meuser: Architectural Guide Sub-Saharan Africa, Berlin (Dom Publishers) 2021

Das Verleger- und Architektenehepaar Natascha und Philipp Meuser haben ein Architekturbuch verfasst: einen siebenbändigen Führer zu Bauten in Subsahara-Afrika. Foto: DOM publishers
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