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Architecture
10. September 2020

Architektur & Wein: Die Kellerei Terlan in Südtirol

Parallel zu unserem NXT A-Talk am 9. September stellen wir Euch in dieser Woche ausgewählte Südtiroler Weingüter mit exzeptioneller Architektur vor: Wir sprachen mit Klaus Gasser von der Kellerei Terlan über die besondere Architektur des neuen Anbaus, der 2009 von Trojer Vonmetz Architekten umgesetzt wurde

Die Kellerei Terlan, 1893 gegründet, ist eine der ältesten und traditionsreichsten Kellereien in Südtirol. Im Jahr 2009 hat sie sich mit der Kellerei Andrian zusammengeschlossen ist nun eine der renommiertesten Kellereien Südtirols.

NXTA: Herr Gasser, der Anbau ist ein architektonisches Highlight in der Region, wie sind Sie und die Architekten dafür zusammengekommen?

 Das war tatsächlich eine recht umfangreiche Angelegenheit, wir haben zu Beginn eine Art „Wettbewerb“ ausgerufen, bei dem wir drei Architekten ausgewählt haben, die jeweils einen Entwurf und ein Modell für das Projekt entwerfen sollten. Zum einen fiel die Wahl auf einen bekannten Architekten, der sich bereits durch Weinarchitektur einen Namen machen konnte und dann wählten wir einen sehr jungen Architekten, der direkt von der Uni kam, sowie ein lokales Architektenbüro, da die Mitarbeiter die Umgebung gut kannten, aus. Ein externer und damit absolut unabhängiger Architekt, Peter Höflinger, hat dann für uns den Auswahlprozess durchgeführt, indem er die einzelnen Entwürfe nach unterschiedlichen Aspekten (ökologische Faktoren, Effizienz und Nachhaltigkeit) bewertet hat. Nach dieser ausführlichen Prüfung fiel die Wahl dann letztendlich auf Trojer Vonmetz Architekten, die auch in Terlan ihr Büro haben. Zufällig hat einer der Architekten, die bei Trojer Vonmetz mit dem Projektentwurf betraut waren, in seiner Studienzeit bei uns in der Kellerei gearbeitet und kannte daher die logistischen Vorgaben und den Bau recht gut, sodass dieses Wissen in den Entwurf mit einfließen konnte.

Die Kellerei befindet sich inmitten des schönen Dorfes Terlan – etwa 500 m vom Ortskern entfernt. Der Anbau fügt sich sehr gut in das Ortsbild und den Baubestand ein – was war Ihnen dabei für die Planung und Konzeption wichtig, um dieses Ergebnis zu erzielen?

Die alte und historische Struktur des 1926 erbauten Hauptgebäudes sollte ihren Charme sowie auch die Position beibehalten und daher nicht „angerührt“ werden. Es wurden natürlich auch in der alten Baustruktur notwendige Änderungen durchgeführt, aber diese hielten sich so gering wie möglich. Aufgrund der Nähe zum Ortskern wollten wir zudem nicht, dass der Anbau Elemente besitzt, die das Gesamtbild des Dorfes nachhaltig veränderten – daher haben wir auch sehr viel unter der Erde bauen lassen. Der tiefste Punkt des Unterbaus beträgt 13 m, deswegen wollten wir alle tiefen Ebenen nutzen, wodurch wir oberirdisch zurückhaltend bleiben konnten. Auch war es uns wichtig, den Anbau nachhaltig in Hinblick auf Klimatechnik und Energieeffizienz zu bauen. Ursprünglich waren auf dem ebenerdig liegenden Dach des Anbau Weinreben gepflanzt, jedoch stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass es sehr schwierig war, die Weinreben auf diesem nicht so tiefen Boden richtig wachsen zu lassen, daher ist dort nun eine kleine Grünanlage mit einem Open-Air Verkostungstisch, den wir besonders in diesem Jahr sehr viel nutzen.

Die Besonderheit der Kellerei ist der Pophyrkeller, was macht diesen aus?

Terlan ist ein eigenes DOC Gebiet mit viel Geschichte und Tradition im Weinbau – unsere Weine haben aufgrund des besonderen Terroirs einen ganz eigenen Charakter, der sie so bekannt gemacht hat. Die Besonderheit ist der Pophyrboden der Umgebung, der in Terlan in der reinsten Form, nämlich Quartzpophyr, dominiert. Dies ist gleichzeitig die Basis der Weine und bestimmt den Charakter maßgeblich mit. Für die qualitative Entwicklung und Reife der Weine benötigt die Kellerei viel Lagerfläche für die Holzfässer und Barriques, daher haben wir uns entschieden, Pophyr als eines der Hauptmaterialien zu verwenden und unseren Keller mit Pophyrplatten auszustatten. Das war natürlich recht aufwendig – die massiven Platten an der Decke mussten beispielsweise mit Edelstahldübeln in Zement verankert werden, damit sie nicht herunterfallen. Jedoch konnten wir so die besondere Atmosphäre schaffen, die neben der Größe des Kellers auch die Kraft des Terroirs widerspiegeln sollte. Der Charakter unserer Weine, mineralisch, tiefgründig und mit Finesse und Eleganz gepaart, findet sich in der Architektur des Kellers wieder, ebenso wie in anderen Bereichen des Baus.

Für den Anbau haben wir insgesamt drei Hauptelemente verwendet: Beton, Cortenstahl für die Verkleidung des Turms und die Türen sowie Quarzpophyr. Durch die Verwendung dieser Materialen findet sich in dem Anbau eine schlichte Zurückhaltung, die man auch beispielsweise an den Etiketten unserer Weine erkennen kann. So spielt alles ineinander und im Keller werden diese Elemente aufgefasst.

Kurz vor Baubeginn haben sich die Kellereien Terlan und Andrian zusammengelegt, nach welchen Kriterien wurde der Standort für den Anbau in Terlan und nicht in Andrian festgelegt?

Wir haben schon länger vor der Zusammenlegung die Notwendigkeit eines Anbau erkannt und befanden uns bereits in der Bauphase – die Baugrube war ausgehoben, als die Zusammenlegung stattfand. Der bisherige Bau in Terlan hat sich seit 1926 flächenmäßig kaum vergrößert, die Kellerei sich aber qualitativ seit Anfang der 90er Jahre sehr verändert und in der alten Struktur war die notwendige Veredelung des Weins aus Platzgründen nicht mehr möglich. Das alte Gebäude in Terlan war auch von den technischen Anlagen her viel weiter als die Anlagen in Andrian, daher war von Anfang an klar, dass der Neubau in Terlan entstehen sollte. Das alte Gebäude in Andrian wird heute noch als Lager genutzt, während die Vinifikation, also Verarbeitung und Veredelung, in Terlan stattfindet. 

Wie wurde das Raumprogramm des Anbaus entwickelt und auf welche Besonderheiten musste Rücksicht genommen werden?

Die Kellerei Terlan hat die Grundphilosophie, dass die Weine Zeit und Ruhe zum reifen benötigen. Daher sind sie auch recht lange Zeit im Keller und es war es uns sehr wichtig, dass der Großteil des Anbaus für die Lagerfläche zur Verfügung steht: für die Reifung der Weine im Fass und die Lagerung in der Flasche.

Der Architekt hat während der Planungen auch einen Entwicklungsprozess ausgelöst, indem er während des Baus einiges angepasst hat, was im Entwurf zunächst nicht relevant erschien: Dies waren etwa strategisch sinnvolle und logistische Strukturveränderungen, um Herstellungsprozesse effizienter zu gestalten, wie etwa die Verlegung der Abfüllanlagen oder die Säuberung der Gebäudeachsen zwischen Alt- und Anbau.

Wie lief die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Bauherr ab?

Unser Kellermeister stand während der Bauphase in sehr engem Kontakt mit dem Architekten hinsichtlich der einzelnen Bauabschnitte, möglicher Änderungen und allen auftretenden Fragen. Damals gab es einige technische Neuerungen, die wir gleich umsetzen konnten, dabei hatten wir eine Art Vorreiterrolle: Andere Weingüter haben dann für ihre eigenen Umbauten einige Architekturelemente von unserem Anbau übernommen.

Würden sie heute etwas anders planen und was würden sie einem Winzer, der jetzt ein neues Weingut bauen möchte, als Rat mitgeben?

Übergibt man ein Bauprojekt in die Hand eines Architekten, dann verlässt man sich auf ihn und sein Können. Da möchte man natürlich denjenigen Architekten, der am besten zum Projekt und zur Philosophie passt. Durch einen Wettbewerb, bei dem mehrere Architekten ihre Entwürfe präsentieren können – was natürlich auch ein Kostenfaktor ist – kann dies meiner Ansicht nach am besten gewährleistet werden. Ich finde unsere Vorgehensweise, bei der wir drei ausgewählte Architekten um einen Entwurf gebeten haben, der dann extern bewertet wurde, sehr spannend, gerade auch da die Entscheidung in unserem Fall auf den Architekten aus dem eigenen Dorf fiel: Dieser hatte zuvor keine Projekte im Gebiet der Weinarchitektur und es war daher hochinteressant zu sehen, wie sich dieser daran weiterentwickelt hatte. Inzwischen hat er auch einige weitere Projekte in diesem Gebiet geplant. Wichtig ist – was leider manchmal zu sehr in den Hintergrund gerät- dass die Ästhetik nicht der Funktionalität weichen sollte: Eine Kellerei ist trotz all der Schönheit der Architektur immer noch ein Herstellungsbetrieb, dessen Abläufe effizient und funktional durchgeführt werden müssen, daher sollte eine „funktionelle Ästhetik“ in der Weinarchitektur stets beibehalten werden.  Außerdem ist es gut, sich zuvor eingehend zu informieren und viele unterschiedliche – auch externe – Ansichten zu erhalten, denn so kann die Entscheidung für oder gegen einen Entwurf am besten „reifen“.

Haben sie durch die neue Architektur auch neue Käuferschichten anziehen können? Es gibt ja mittlerweile auch viele Führungen die Architektur & Wein  als Thema haben – gerade auch um ein jüngeres Publikum auf sich aufmerksam zu machen?

Wein ist ein sehr emotionales und subjektives Thema. Als Winzer ist man abhängig von der jeweiligen Wahrnehmung – der Kunden, der Allgemeinheit, der Journalisten. Wird ein Wein entsprechend präsentiert, suggeriert er noch mehr Professionalität und Qualität, was sich dann letztendlich in der Wahrnehmung der Kunden widerspiegelt. Unsere Kunden sind extrem interessiert an den einzelnen Produktionsabläufen – daher bieten wir auch Führungen an, die für uns ein wichtiges und imagebildendes Kommunikationsmittel sind. Natürlich spielt da auch die Architektur eine Rolle – eine architektonisch gut durchdachte Kellerei, welches mit der Philosophie der Kellerei einhergeht und diese unterstreicht, ist eminent wichtig:  So erkennen die Kunden und auch die Besucher den Zusammenhang zwischen Architektur und unseren Weinen, die natürlich an erster Stelle stehen, aber die Architektur ist gleichzeitig ein wichtiger Faktor, um auf die Kellerei und damit auf unsere Weine aufmerksam zu machen.

Herr Gasser, kommen wir nun zur letzten Frage: Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen Weinarchitektur und Marketing?

Ich halte den Zusammenhang für absolut wichtig, gerade wenn man wie wir im hochwertigen Segment beheimatet ist. Es geht dabei nicht darum, einen architektonischen Salto Mortale zu machen, denn man sollte schon in der Architektur die Seele und das, was das Weingut ausmacht, spüren können: Die einzelnen Elemente sollten die Identität des Betriebs wiedergeben. Leider ist dies bei manchen modernen Weinarchitekturen nicht so stark zu sehen: Man kann es vielleicht mit dem Besuch in einem schicken Hotel vergleichen, welches vom Design her top ist, wo aber jedoch keine Wohlfühlatmosphäre entstehen kann und kein Charakter erkennbar ist – es wirkt dann sehr unpersönlich.

Wenn es um einen Anbau zu einem bereits bestehenden Gebäude geht, ist es ebenfalls wichtig, dass man meiner Meinung nach die alten mit den neuen Strukturen verbunden und nicht vermischt werden, damit die Identität erhalten bleibt. Denn nur so ist es auch möglich, über die Architektur den Charakter des Weins, des Terroirs und letztendlich auch der Tradition der Kellerei zu vermitteln.

 

Das Interview führte Mandana Bender.

Foto: Kellerei Terlan
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